Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

24 III. 1. Die Wiener Conferenzen. 
und der strengen Aufsicht einer Bundesbehörde in Leipzig unterworfen 
werden. Nur die bei dieser Generaldirektion eingetragenen Schriften er- 
freuen sich des gesetzlichen Schutzes. Als Schutzverwandte können auch 
die deutschen Buchhändler des Auslands der Corporation beitreten, aber 
nur wenn sie einem Staate, der die Censur handhabt, angehören; denn 
offenbar wäre es ein Unrecht, die „vogelfreien“ Verleger Englands und 
Frankreichs den legitimen Buchhändlern Deutschlands und Rußlands 
gleichzustellen. So der „Plan zur Organisation des deutschen Buch- 
handels". Sein Zweck sprang in die Augen; die Censur, die bisher nur 
provisorisch auf fünf Jahre eingeführt war, sollte ganz unter der Hand 
eine bleibende Institution des Bundesrechts, als die Vorbedingung des 
literarischen Eigenthums anerkannt werden. Aber zu einer Verschärfung 
der Karlsbader Beschlüsse zeigte sich die Conferenz nicht geneigt, der Unter- 
schied zwischen den legitimen und den vogelfreien Buchhändlern war ihr 
zu fein. Adam Müller's Vorschlag blieb liegen, ein lehrreiches Probstück 
österreichischer Rechtsweisheit. — 
Die Conferenz arbeitete mit anhaltendem Fleiße, obgleich es in dem 
lustigen Wien auch an Schmäusen und Festlichkeiten nicht fehlte. Tag 
für Tag versammelten sich bald die Ausschüsse bald das Plenum um den 
langen Tisch in Metternich's Vorzimmer. Die Errnte schien bereits glück- 
lich unter Dach gebracht, als Württemberg plötzlich die Frucht der langen 
mühsamen Vermittlungsarbeit zu zerstören suchte. Verdrießlich genug hatte 
König Wilhelm bisher seinen conservativen Minister Wintzingerode gewähren 
lassen, der mit unverhohlener Geringschätzung von „unserer vortrefflichen 
Verfassung“ sprach und das Vertrauen der beiden Großmächte wiederzu- 
gewinnen bemüht war. Von Zeit zu Zeit sendete Metternich ein lehrhaftes 
Schreiben nach Stuttgart um den halbbekehrten Hof in seinen guten 
Vorsätzen zu bestärken und ihn durch die Schreckbilder der Revolution in 
einer wohlthätigen Angst zu erhalten. Deutschland, so schrieb er dem 
Gesandten Trauttmansdorff, bedarf der Befestigung der Ordnung sogar 
noch dringender als Frankreich; denn jenseits des Rheines ist die revo- 
lutionäre Umwälzung aller Besitzverhältnisse bereits vollendet, „die Pläne 
der deutschen Demagogen aber gehen zugleich auf die Republik und auf 
ein Ackergesetz“. Da verlautete im Jannar, daß die Conferenz die Formen 
des Bundesrechts verletzen, ihre Beschlüsse dem Bundestage kurzweg auf- 
erlegen wolle. 
Eine so köstliche Gelegenheit, wieder einmal den Anwalt der Freiheit 
zu spielen und seinen durchlauchtigen Genossen ein Bein zu stellen, durfte 
König Wilhelm sich doch nicht entgehen lassen. Sofort wurde Graf 
Mandelsloh angewiesen, feierlich zu erklären, daß der König einem solchen 
Plane niemals zustimmen werde; den Bundestag zu umgehen dürfe man 
den beiden Großmächten nicht gestatten. Eine harte Zumuthung an den 
friedfertigen Gesandten, der jeden Abend stillvergnügt in Metternich's glän-
	        
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