330 III. 5. Die Großmächte und die Trias.
Conferenz beantragt hatte. Am 1. Juli 1824 beschloß die Versammlung,
nur noch eine Auswahl aus ihren Protocollen zu veröffentlichen; von den
eigentlichen Protocollen wurden nur wenige Exemplare gedruckt, sorgfältig
mit Nummern versehen und im strengsten Geheimniß den verbündeten
Höfen mitgetheilt, wo man sie so sorgsam verwahrte, daß bis zum Jahre
1848 kein einziger deutscher Gelehrter davon Kenntniß nehmen konnte. Die
veröffentlichten dürftigen Auszüge fanden keine Leser, und schon nach vier
Jahren wurde die Herausgabe „wegen Mangels an Stoff“ gänzlich ein-
gestellt. Gewiß waren die Verhandlungen eines Gesandtencongresses für
das große Publikum wenig geeignet; ihre Veröffentlichung hatte oft den
Zwiespalt zwischen den Höfen erweitert, öfter noch die Gesandten zur Ent-
faltung unnützer Redekünste verführt. Aber die Heimlichkeit der Be-
rathungen wirkte noch unheilvoller. Die deutsche Centralgewalt erschien
der erbitterten Nation fortan nur noch wie eine geheime Polizeibehörde,
und die dem Bundestage so verdächtige Wissenschaft des deutschen Bundes-
rechts kam niemals aus den Windeln heraus, weil sie über Entstehung,
Sinn und Zweck der Bundesgesetze nichts Sicheres zu sagen wußte. Nur
einmal in diesen langen Jahren wagte sich schwarzer Verrath an die
Protocolle des Bundestages heran. Der Legationssecretär einer Bundes-
gesandtschaft entdeckte eines Tags, als er sich sein Abendbrot beim Metzger
gekauft hatte, mit Entsetzen, daß die Wurst in ein geheimes Bundes-
protocoll eingewickelt war. Sofort wurde die Frankfurter Polizei aufgeboten;
sie war längst gewohnt, dem k. k. Präsidialgesandten treue Dienste zu leisten,
und es gelang ihr nicht nur, noch eine erkleckliche Anzahl fettiger Protocoll-
bogen aufzutreiben, sondern auch den Nachweis zu führen, daß die Köchin
des Ernestinischen Bundesgesandten die alten Papiere, die ihr Herr doch
niemals las, an den Wurstler verkauft hatte. Deutschlands höchste Be-
hörde erörterte den schwierigen Fall mit gewohnter Gründlichkeit; dann
wurden die aufgelaufenen Akten nebst den glücklich wieder eingefangenen
alten Protocollbogen zu einem besonderen Fascikel vereinigt und im
Bundesarchiv niedergelegt, woselbst der Name der pflichtvergessenen Bundes-
köchin noch heute für das Gedächtniß der Nachwelt aufbewahrt wird.
Das Stillleben in der Eschenheimer Gasse ward nachgerade so unheim-
lich, daß die Zeiten Wangenheim's mit ihrem wüsten Lärm und Zank
daneben noch beneidenswerth erschienen. Seit Münch sein Scepter schwang,
ging die ganze Thätigkeit des Bundestages im Niederhalten des nationalen
Lebens auf. Nur die preußische Regierung bewährte selbst in diesen Tagen
dumpfen Druckes noch ihren alten Eifer für die Stärkung der nationalen
Wehrkraft. Der König bestand darauf, daß mindestens die Vertheidigung
des Mittelrheins endlich geregelt werden müßte, da die Süddeutschen sich
über ihre Bundesfestungen doch nicht einigten. Nachdem er in Frank-
furt noch mehrmals vergeblich hatte mahnen lassen, sendete er im Früh-
jahr 1824 den General Krauseneck nach Wien. Hatzfeldt erschrak über den