Verlängerung der Karlsbader Beschlüsse. 339
schrieb — ohne zu ahnen, wie furchtbar seine Weissagung sich dereinst
erfüllen sollte —: „Das revolutionäre System kann von nun an in
Deutschland nur dann die Oberhand gewinnen, wenn der Deutsche Bund
selbst untergeht. So weit haben wir es seit dem Jahre 1819 gebracht.“ —
Seit diesen Beschlüssen zeigte der Wiener Hof gegen den Bundestag
wieder dieselbe träge Gleichgiltigkeit wie im Jahre 1817. Die polizeiliche
Ordnung war gesichert; was wollte man mehr? Positive Pläne für die
Mehrung deutscher Macht und Wohlfahrt konnte das Haus Oesterreich
nicht hegen; wenn nicht das ruhelose Preußen die Bundesfestungsfrage
immer wieder aufgerührt hätte, so wäre dem Bundestage der Berathungs-
stoff fast gänzlich ausgegangen. Die von der Hofburg gewünschte vier-
monatliche Tagung der Bundesversammlung trat thatsächlich in Kraft,
da Münch fortan regelmäßig acht Monate des Jahres zu Wien im Aus-
wärtigen Amte verbrachte; während seiner Abwesenheit ließ er sich stets
durch Baiern oder Sachsen, niemals durch Preußen vertreten. Das Treiben
in der Eschenheimer Gasse ward schlechthin gespenstisch, unterschied sich
in nichts mehr von den Regensburger Zeiten. Die vielbelachten Eutiner
Gemeinweiden, in denen einst der alte Reichstag bei seinem Untergange
stecken geblieben war, fanden im Jahre 1827 ihr würdiges Gegenstück,
als die Mainzer Festungsbehörde „mit Eilfertigkeit und ebenso rücksichts-
loser Hintansetzung ihres Verhältnisses zu hoher Bundesversammlung“
einige Abtritte in den Garnisonlazarethen erbaut hatte, und der Bundes-
tag über diese Eigenmächtigkeit in gerechte Entrüstung gerieth. Natürlich
waren die Missethäter preußische Offiziere. Da sich jedoch „die Noth-
wendigkeit der getroffenen Vorkehrung“ nicht bestreiten ließ, so beschloß
man endlich, durch die Militärcommission „die Verwendung der an-
geschlagenen Summe vordersamst zu constatiren, wornächst“ unter strenger
Verwarnung der schuldigen Behörde das Geld ausgezahlt werden sollte.
Im folgenden Jahre wurden wegen derselben Abtritte nochmals so harte
und grundlose Vorwürfe erhoben, daß Nagler den erbitterten Kleinen
vorhalten mußte: das preußische Festungsgouvernement solle doch erst ge-
hört werden bevor man sein Verfahren mißbillige.
Auch in der Kunst, das Einfache zu verwirren, das Klare zu ver-
dunkeln hatte der Bundestag sein Regensburger Vorbild längst glücklich
erreicht. Das mußte unter Anderen die Fürstin Berkeley erfahren, die
Wittwe des letzten Markgrafen von Ansbach-Baireuth. Ihr hatte einst
die Krone Preußen eine jährliche Rente auf die öffentlichen Fonds der
fränkischen Provinzen angewiesen, und nach dem klaren Wortlaut der Ver-
träge unterlag es keinem Zweifel, daß der König von Baiern als nun-
mehriger Landesherr von Ansbach-Baireuth das Witthum zu zahlen
hatte. Baiern wußte sich jedoch seiner Verpflichtung unter leeren Vor-
wänden zu entziehen, und als die Fürstin im Jahre 1825 sich beim Bundes-
tage beschwerte, wurde die Sache erst in Frankfurt mehrere Jahre lang
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