Klewitz's Rücktritt. 453
hat niemals begriffen, wie viel Schmach und Elend diese thörichte Ver—
folgung über seinen ehrenreichen Staat gebracht hatte. Auch der Kron—
prinz blieb, obwohl verstimmt über die Kleinlichkeit der Verfolgung, doch
fest überzeugt von dem Dasein der großen im Finsteren schleichenden Ver—
schwörung. Darum konnte, als nachher nochmals eine radicale Erregung
die Deutschen ergriff, der ganze Jammer der Demagogenjagd zum zweiten
male über Preußen hereinbrechen. —
Das mildere System im Innern und das selbständige Verfahren
Bernstorff's in der orientalischen Frage bewirkten, daß um die Mitte der
zwanziger Jahre das Verhältniß zum Wiener Hofe merklich erkaltete. In
den hohen militärischen Kreisen äußerte sich wieder laut und entschieden
die alte niemals ganz überwundene Abneigung gegen Oesterreich. Was
hatte man denn im Grunde dem getreuen Alliirten an der Donau zu
verdanken? Jene schlaffe, kopflose Kriegführung von 1813 und 14, deren
Sünden durch furchtbare Opfer des preußischen Heeres gesühnt werden
mußten; dann die schweren diplomatischen Niederlagen auf dem Wiener
Congresse; und zuletzt die mehr als bescheidene Rolle, welche Preußen am
Bundestage spielte! Wie viel fester und treuer hatte sich doch Rußlands
Freundschaft bewährt, auf dem Schlachtfelde und in den sächsischen Händeln!
Warum der Hofburg eine Hingebung erweisen, die nur durch unredliche
Ränke erwidert wurde? Lag es denn nicht weit näher, die europäische
Stellung der Monarchie durch ein festes Bündniß mit Rußland zu sichern
und dann die ganze Kraft des Staates auf Deutschland, auf die Be—
herrschung der Kleinstaaten zu richten? Mit Erstaunen vernahm der
badische Gesandte Frankenberg solche Ansichten aus dem Munde ehrgei-
ziger preußischer Offiziere.') Lange Jahre sollten noch vergehen, bis diese
Ideen zur Herrschaft gelangten am Hofe. Doch der Bann, welcher den
freien Willen des Staates so lange gelähmt, war jetzt schon gebrochen.
Man begann in Berlin den tiefen Gegensatz der Interessen, der unseren
Staat von Oesterreich trennte, wieder lebhaft zu empfinden.
So waren die Wege geebnet für die handelspolitischen Entwürfe des
kühnen Mannes, der in so stiller Zeit wieder in die Bahnen fridericiani-
scher Staatskunst einzulenken wagte, des neuen Finanzministers F. C. A.
v. Motz. In das achte Jahr hinein hatte Minister Klewitz sein schweres
Amt ertragen, mit unwandelbarer Geduld die große Steuerreform auf-
recht gehalten wider zahllose Angriffe von innen und außen. Aber das
Deficit vermochte er nicht zu beseitigen, trotz allen neu angeordneten Erspar-
nissen; denn er begnügte sich mit einer bescheidenen Stellung, die es ihm
*) Frankenberg's Berichte, 3. Okt., 7. Nov. 1826.