480 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod.
wieder trat in der Eschenheimer Gasse ein Ausschuß zusammen unter dem
Vorsitz des k. k. Gesandten. Wieder ward ein Bericht zu Gunsten Köthens
erstattet und wieder mußte der preußische Gesandte eine scharfe Erwi-
derung verlesen. Nagler sagte geradezu, seine Regierung sei durch den
Commissionsbericht in der Ueberzeugung von ihrem Rechte unerschütter-
lich befestigt worden. Bernstorff aber erklärte: „Dazu haben sich große
Staaten mit den kleinen nicht in einen Verein zusammengethan, damit
diese nur ihre, bei vernünftigem Gebrauch unantastbare Souveränität
nach Willkür und jeder überspannten Einbildung ausüben dürfen.“)
Oesterreich zeigte bei alledem eine sehr zweideutige Haltung. Adam Miller
wurde zwar auf längere Zeit beurlaubt, doch im Uebrigen that die Hof-
burg gar nichts zur Unterstützung Preußens; ihr Gesandter Graf Trautt-
mansdorff beschwerte sich sogar über die angeordneten Zwangsmaß-
regeln.)
Die kleinen Höfe ergriff ein jäher Schrecken, da sie so unsanft an
die natürlichen Schranken ihrer Souveränität erinnert wurden. In einem
verzweifelten Briefe fragte Großherzog Georg von Strelitz seinen könig-
lichen Schwager, ob er denn wirklich den Bestand des Deutschen Bundes
gefährden wolle. Friedrich Wilhelm aber ließ sich nicht beirren. Er
sendete dem Schwager (Juli 1827) eine Denkschrift, welche nochmals die
ganze Nichtswürdigkeit der anhaltischen Schleichhandelspolitik darstellte,
und sagte: daraus möge er lernen, „daß das Interesse meiner Unterthanen
die getroffenen Maßregeln gebieterisch erheischte, daß ich allzu vollkommen
berechtigt war, und daher weder die Aussprüche der Bundesversammlung
noch das Urtheil des Publikums in und außer Deutschland, sondern nur
die Nachgiebigkeit der anhaltischen Fürsten eine Aenderung hervorbringen
können." Dann hob er mit seinem graden Verstande noch einmal den
Kern des Streites heraus: „Ew. K. Hoheit wird außerdem einleuchten,
daß, wenn sich die Interessen eines Staates von 30—40,000 Einwohnern
mit denen von zwölf Millionen in Conflikt befinden, es in der Natur
der Verhältnisse liegt, daß der erstere nachgebe sobald ihm eine vollstän-
dige Entschädigung geboten wird. Sollte der Bund die aus einer übel
verstandenen Souveränität hergeleiteten Anmaßungen kleiner Staaten gegen
mächtige nicht in die gehörigen Schranken zurückweisen, so würde für
diese das Bundesverhältniß bald unerträglich werden und der Bund, wie
E. K. H. bemerken, allerdings in Gefahr schweben.““)
Mittlerweile begannen die beiden bedrängten Kleinfürsten doch zu
merken, daß sie den ungleichen Kampf nicht durchführen konnten. Sie
*) Weisung an Nagler, 27. Febr. 1827.
**) Maltzahn's Berichte, Wien 21. März, 6. April, C. Aug. 1827, 18. März 1828;
Bernstorff an Trauttmansdorff, 21. Febr. 1828.
*“) König Friedrich Wilhelm an Großh. Georg v. Mecklenburg-Strelitz, Teplitz
28. Juli 1827.