Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

480 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod. 
wieder trat in der Eschenheimer Gasse ein Ausschuß zusammen unter dem 
Vorsitz des k. k. Gesandten. Wieder ward ein Bericht zu Gunsten Köthens 
erstattet und wieder mußte der preußische Gesandte eine scharfe Erwi- 
derung verlesen. Nagler sagte geradezu, seine Regierung sei durch den 
Commissionsbericht in der Ueberzeugung von ihrem Rechte unerschütter- 
lich befestigt worden. Bernstorff aber erklärte: „Dazu haben sich große 
Staaten mit den kleinen nicht in einen Verein zusammengethan, damit 
diese nur ihre, bei vernünftigem Gebrauch unantastbare Souveränität 
nach Willkür und jeder überspannten Einbildung ausüben dürfen.“) 
Oesterreich zeigte bei alledem eine sehr zweideutige Haltung. Adam Miller 
wurde zwar auf längere Zeit beurlaubt, doch im Uebrigen that die Hof- 
burg gar nichts zur Unterstützung Preußens; ihr Gesandter Graf Trautt- 
mansdorff beschwerte sich sogar über die angeordneten Zwangsmaß- 
regeln.) 
Die kleinen Höfe ergriff ein jäher Schrecken, da sie so unsanft an 
die natürlichen Schranken ihrer Souveränität erinnert wurden. In einem 
verzweifelten Briefe fragte Großherzog Georg von Strelitz seinen könig- 
lichen Schwager, ob er denn wirklich den Bestand des Deutschen Bundes 
gefährden wolle. Friedrich Wilhelm aber ließ sich nicht beirren. Er 
sendete dem Schwager (Juli 1827) eine Denkschrift, welche nochmals die 
ganze Nichtswürdigkeit der anhaltischen Schleichhandelspolitik darstellte, 
und sagte: daraus möge er lernen, „daß das Interesse meiner Unterthanen 
die getroffenen Maßregeln gebieterisch erheischte, daß ich allzu vollkommen 
berechtigt war, und daher weder die Aussprüche der Bundesversammlung 
noch das Urtheil des Publikums in und außer Deutschland, sondern nur 
die Nachgiebigkeit der anhaltischen Fürsten eine Aenderung hervorbringen 
können." Dann hob er mit seinem graden Verstande noch einmal den 
Kern des Streites heraus: „Ew. K. Hoheit wird außerdem einleuchten, 
daß, wenn sich die Interessen eines Staates von 30—40,000 Einwohnern 
mit denen von zwölf Millionen in Conflikt befinden, es in der Natur 
der Verhältnisse liegt, daß der erstere nachgebe sobald ihm eine vollstän- 
dige Entschädigung geboten wird. Sollte der Bund die aus einer übel 
verstandenen Souveränität hergeleiteten Anmaßungen kleiner Staaten gegen 
mächtige nicht in die gehörigen Schranken zurückweisen, so würde für 
diese das Bundesverhältniß bald unerträglich werden und der Bund, wie 
E. K. H. bemerken, allerdings in Gefahr schweben.““) 
Mittlerweile begannen die beiden bedrängten Kleinfürsten doch zu 
merken, daß sie den ungleichen Kampf nicht durchführen konnten. Sie 
  
*) Weisung an Nagler, 27. Febr. 1827. 
**) Maltzahn's Berichte, Wien 21. März, 6. April, C. Aug. 1827, 18. März 1828; 
Bernstorff an Trauttmansdorff, 21. Febr. 1828. 
*“) König Friedrich Wilhelm an Großh. Georg v. Mecklenburg-Strelitz, Teplitz 
28. Juli 1827.
	        
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