610 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine.
vorherrschte, wurde überall begünstigt. Mit Alledem war der König keines—
wegs gemeint die Freiheit der Protestanten zu beeinträchtigen oder gar den
Staat der römischen Kirche zu unterwerfen. Von der Zurückberufung der
Jesuiten wollte er nichts hören, „weil sie niemals teutsch gewesen“, und
unter den anderen Orden gab er den milden, gelehrten Benediktinern den
Vorzug. Sein Liebling unter den Priestern war der ehrwürdige Sailer,
der jetzt, vom Papste wieder zu Gnaden angenommen, als Bischof in
Regensburg lebte. Wie that es dem Könige wohl, seinem greisen Lehrer,
„dem deutschen Fenelon“ in dem nahen Schlößchen Barbing eine freund-
liche Sommerfrische zu bereiten; zuweilen erschien er selber in dem geist-
lichen Kreise, der sich dort zusammenfand, und erbaute sich an den ernsten
Gesprächen des alten Domherrn Wittmann und des jungen Westphalen
Diepenbrock. Doch fast ebenso gern wie mit diesen milden Regensburger
Priestern verkehrte er mit den Speyer'schen Domherren Geissel und Weis,
den streitbaren Mitarbeitern des clericalen „Katholiken“. Zu seinen per-
sönlichen Vertrauten gehörte auf der einen Seite der gemäßigt liberale
Freiherr Heinrich v. d. Tann, ein Franke aus altprotestantischem Geschlecht
— auf der anderen sein lieber kleiner „Muckel“, der geistvolle Mediciner
Nepomuk Ringseis, ein strengkatholischer Altbaier, Mystiker im Glauben
wie in der Naturwissenschaft.
Seit dem Thronwechsel erhoben die Clericalen ihre Stimme immer
lauter; sie pflegten in der Eos und anderen Zeitschriften mit beflissenem
Eifer das katholische Altbaiern als das Land wittelsbachischer Treue zu
verherrlichen, was wieder gereizte Entgegnungen aus Franken hervorrief.
Bald sprach man in den neuen Provinzen und selbst in der Diplomatie
allgemein von einer ultramontanen „Congregation", die in München nach
bourbonischem Muster ihr geheimes Wesen treiben sollte.) Die meisten
dieser Gerüchte waren falsch oder übertrieben; jedoch bei dem unberechen-
baren Charakter des Königs schien ein Erfolg der Clericalen über lang
oder kurz nicht unmöglich. Der neue Minister des Innern, Eduard
v. Schenk, ein junger Rheinländer, der sich die Gunst des Monarchen
durch seine romantischen Dramen errungen hatte, war den Protestanten
schon als Convertit verdächtig und sicherlich nicht kräftig genug um einem
plötzlichen Angriff zu widerstehen. Solche Besorgnisse trübten den Libe-
ralen bereits in diesen ersten Jahren die Freude an dem neuen Regiment.
Dagegen fand die Verlegung der altbairischen Hochschule nach München
den Beifall aller Einsichtigen. Der glückliche Gedanke wurde zuerst von
Ningseis angeregt und dann durch den König mit gewohnter Raschheit
schon 1826 ausgeführt. Die Universität hatte sich in Landshut etwas
freier entwickelt als vormals in der Jesuitenburg Ingolstadt, aber nicht
sehr kräftig; die Gefahr der Verbauerung lag in dem Paradiese der nieder-
*) Küster's Bericht, 17. Febr. 1830.