612 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine.
zieher für den Lehrerstand, an Schmeller einen hochbegabten Germanisten,
der, allzubescheiden und allzuwenig anerkannt, durch sein Bairisches Wörter—
buch der deutschen Dialektforschung die Bahn brach. Sie wurde bald
nächst Berlin die besuchteste der deutschen Universitäten außerhalb Oester—
reichs und trug viel dazu bei, daß der Ton in der Hauptstadt sich hob,
das altbairische Leben sich der nationalen Gesittung annäherte; denn
obwohl die neuen Straßen, wo die norddeutschen Gelehrten wohnten,
bei den Bürgern noch lange das Protestantenviertel hießen, so begann man
doch allmählich einander zu ertragen und zu verstehen. Auch das Stu—
dentenleben war in diesen ersten Semestern, da die Jugend sich der neu-
gewonnenen Lernfreiheit noch dankbar erfreute, gesund und frisch; in der
Gesellschafts-Aula, wo der junge Philosoph Beckers und seine Freunde
den Ton angaben, herrschte ein fröhlicher wissenschaftlicher Idealismus.
Gleichwohl entsprach der Erfolg den hochgespannten Erwartungen des
Königs keineswegs. Mit der ersten Hochschule Preußens konnte die Uni-
versität der bairischen Hauptstadt sich nicht von fern vergleichen; dazu war
der kaum erst urbar gemachte Boden hier noch bei Weitem nicht ergiebig
genug. In Berlin war Hegel nur Einer unter Vielen; neben der reichen
Mannigfaltigkeit des wissenschaftlichen Lebens dort erschien die Münchener
Gelehrsamkeit mit ihrem vorherrschenden katholisch= naturphilosophischen
Zuge dürftig, einseitig, parteiisch, und zuweilen mochte dem königlichen
Enthusiasten wohl das Epigramm einfallen, das er einst in mißmuthiger
Stunde gedichtet hatte:
Einem ungeschickt Schwimmenden glichst Du und gleichest Du, Baiern,
Schwingend Dich zwar in die Höh', schnelle doch sinkend hinab!
Unter den nicht-akademischen Gelehrten, welche der König nach München
berief, erwies sich der Tyroler Historiker Hormayr besonders brauchbar.
Der hatte einst den Oesterreichischen Plutarch geschrieben, bei dem Auf-
stande Andreas Hofer's mitgeholfen und die bairischen „Rheinbundssklaven“
gröblich beschimpft. Von Metternich übel behandelt stellte er jetzt dem
liberalen Baiernkönige seine stachlige Feder bereitwillig zur Verfügung und
schrieb sogleich über die historischen Fresken der Münchener Arkaden ein
Büchlein, das in bajuvarischer Selbstberäucherung und höfischer Liebe-
dienerei Unmögliches leistete: immer wieder hielt er den Baiern vor, wie
oft sie schon einst, da ihr Staat noch um das Dreifache kleiner war, in
der europäischen Politik den Ausschlag gegeben hätten. Der plötzliche Ge-
sinnungswechsel des beweglichen Mannes erweckte wenig Vertrauen; da er
jedoch die Blößen Metternich's genau kannte, so war er als Wittels-
bachischer Hofpublicist nicht zu verachten. Auch Cotta, der Unermüdliche,
der soeben die Dampfschifffahrt auf dem Bodensee eingerichtet hatte, wurde
durch König Ludwig bewogen, in München eine Filiale seiner Buchhand-
lung zu gründen. Dort sollte eine große liberale Zeitschrift erscheinen,
die Neuen Politischen Annalen, als Fortsetzung des Murhard'schen Unter-