Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Der Londoner Vertrag. 731 
lichen Bundes wollte er schlechterdings nicht glauben. Nach mannigfachen 
diplomatischen Wendungen erklärte er sich bereit, die Unterhandlungen der 
beiden Mächte ber der Pforte zu unterstützen und begann nun ein durch— 
sichtiges Doppelspiel, das um so thörichter war, da er wußte, daß der 
junge Czar ihn selber ebenso argwöhnisch beobachtete wie der greise König 
von Frankreich. Während er die beiden verbündeten Höfe mit leeren 
Versprechungen hinhielt, ließ er den Sultan durch Gentz's Hospodaren— 
briefe und durch den Internuntius Ottenfels insgeheim zur Ausdauer 
ermahnen. Der siegreiche Ibrahim Pascha hauste auf Morea wie der 
Schnitter Tod; gewann der Sultan nur noch ein Jahr, so gelang es 
vielleicht den Krummsäbeln der Aegypter, das meuterische kleine Griechen— 
volk mit Kind und Kegel auszurotten, und dann hatte die griechische Frage 
eine Lösung gefunden, welche schon durch ihre Einfachheit dem weichen 
Herzen des Kaisers Franz wohlthun mußte. 
England und Rußland aber ließen sich durch Metternich's Zauder— 
künste nicht aufhalten. Um den Tuilerienhof für die Petersburger Ver— 
abredung zu gewinnen ging Canning selbst nach Paris, und am 6. Juli 
1827 schlossen die drei Mächte zu London einen förmlichen Vertrag. Sie 
verpflichteten sich, den griechisch-türkischen Krieg durch gemeinsame Ver- 
mittlung zu beendigen, zunächst einen Waffenstillstand herbeizuführen und 
im Frieden die Errichtung eines autonomen griechischen Staates, der dem 
Sultan nur Tribut zu zahlen hätte, durchzusetzen; besondere Vortheile 
sollten keinem der drei Verbündeten aus diesem Vertrage erwachsen. Wurde 
der Waffenstillstand nicht binnen Monatsfrist angenommen, so behielten 
sich die drei Mächte weitere angemessene Mittel vor; für alle Fälle sendeten 
sie sogleich gemeinsam eine Flotte in das ionische Meer und gaben den 
drei Admiralen sehr unbestimmte, dehnbare Vollmachten mit auf die Reise. 
So hatte denn Metternich abermals falsch gerechnet; die Wirkungen des 
Petersburger Protokolls, das er so abschätzig beurtheilt, ließen sich jetzt mit 
Händen greifen. In hochmüthigen Schmähreden gab er seine Enttäuschung 
kund: dies kindische Werk ging von Menschen aus, die noch im ABC der 
Begriffe steckten; „was zu viel ist ist zu viel, der Vertragsentwurf über- 
bietet noch die Dummheit.“ Noch ausgiebiger verwerthete der leiden- 
schaftliche Gentz die reichen Vorräthe des deutschen Schimpfwörterbuchs; 
er donnerte wider diesen Gipfel der Verkehrtheit, der Ungereimtheit und 
Unverschämtheit, wider diese Treulosigkeit, Bosheit, Schwäche, Blindheit, 
Sinnlosigkeit, und als sein getreues Echo erklärte Prokesch den Londoner 
Vertrag für die Pandorabüchse, welche der Teufel der Unordnung, 
Liberalismus genannt, in die Welt gebracht habe. 
Alle Unbefangenen, weit über die Kreise des Liberalismus hinaus, 
empfingen die Kunde von dem Londoner Vertrage mit gerechter Befriedigung: 
es war die höchste Zeit, daß das Ehrgefühl der Christenheit endlich sich 
regte, daß einer Rotte afrikanischer Bluthunde nicht länger mehr gestattet
	        
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