Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Müffling's Sendung. 743 
Bedingungen Frieden zu schließen und ihn also zur Absendung von 
Bevollmächtigten zu bewegen. So konnte die Rechtschaffenheit des Königs 
sich wieder als eine Macht erweisen; ihr Ruf war auch bis zum Bos— 
porus gedrungen. Wenn dieser Fürst im Namen seines Schwiegersohnes 
eine feierliche Erklärung abgab, so ließ sich vielleicht selbst das finstere 
Mißtrauen Sultan Machmud's überwinden. 
General Müffling, der gelehrte Chef des Generalstabs, wurde mit 
dem schwierigen Auftrage betraut. Erst am 5. Juli, als er schon unter— 
wegs war und die fremden Mächte ihm am Bosporus nicht mehr zuvor— 
kommen konnten, erging an die Gesandtschaften der Befehl, die Höfe von 
Wien, London und Paris über den Zweck der Sendung zu unterrichten: 
Preußen wolle nicht Friedensvorschläge überreichen — das würde die bald 
mißtrauische bald hochmüthige Pforte mißverstehen —, sondern nur den 
Sultan von den friedlichen Absichten des Czaren überzeugen. Noch be— 
stimmter sagte eine spätere Weisung: man kann die Pforte nur retten, 
wenn man sie vor sich selber rettet.) Als Müffling am 4. August in 
Konstantinopel eintraf, fand er die Stadt in fieberischer Aufregung. 
Diebitsch hatte erreicht was noch keinem Feinde der Osmanen gelungen war, 
er hatte den Balkan überschritten. Unaufhaltsam wälzten sich seine Heer— 
säulen durch Bulgarien südwärts, die Trümmer des türkischen Heeres flohen 
in wilder Auflösung, am 22. August kam gar die Nachricht von Diebitsch's 
Einzug in Adrianopel. Der Sultan war ohne Heer, denn die Wuth der 
rechtgläubigen Osmanen in der Hauptstadt richtete sich zunächst gegen ihn, 
der durch seine frevelhaften neuen Gesetze die Strafen Allahs auf das 
Reich herabgerufen habe; der mächtige Anhang der aufgelösten Janitscharen 
murrte laut. Umsonst ließ Machmud die grüne Fahne des Propheten 
durch die Straßen tragen, Niemand wollte dem heiligen Feldzeichen zum 
Glaubenskriege folgen; die Rekruten aus Asien wurden an Kameele ge— 
bunden zur Hauptstadt geschleppt. Die inzwischen zurückgekehrten Gesandten 
der Westmächte Gordon und Guilleminot hielten Alles für verloren, nicht 
anders dachten Royer und der Internuntius Ottenfels; man fürchtete 
vornehmlich einen Pöbelaufstand. Eine englische Fregatte lag an der 
Serailspitze, um den Großherrn nach Asien hinüberzuführen, und draußen 
vor dem Eingang des Hellesponts sammelte sich schon eine englische Flotte, 
bereit zur Einfahrt, falls die Russen gegen die alten Mauern der Kom— 
nenen heranrückten. Die Gefahr war furchtbar, das diplomatische Corps 
begrüßte den preußischen General wie einen Retter. 
Müffling verfuhr nicht ohne Gewandtheit — bedauerlich nur, daß er 
nachher dies Verdienst durch übertriebenes Selbstlob geschmälert hat. Er 
stieß zuerst hart zusammen mit dem Dünkel des Reis Effendi, der die 
Belehrungen des Preußen über die militärische Lage übel aufnahm; dann 
  
*) Weisungen an die Gesandtschaften, 5. Juli, an Brockhausen, 27. Aug. 1829.
	        
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