Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Nebenius und der deutsche Zollverein. 775 
gewisse Aehnlichkeit haben. So ungern ich mit meinem verehrten Lehrer in Widerspruch 
trete, so dürfen wir Historiker es doch nicht schweigend hinnehmen, wenn ein vielgelesenes 
einflußreiches Buch das Capitel über die Gründung des Zollvereins mit dein Satze schließt: 
„Was für die Befreiungskriege der Hannoveraner Scharnhorst, der Rheinländer Stein, 
der Mecklenburger Blücher, der Sachse Gneisenau, das bedeutet für den Zollverein der 
Badenser Nebenius.“ Will man den Badener neben jene Helden stellen, deren Verdienst 
doch sicherlich nicht bloß in dem Aussprechen einiger guten Gedanken bestand, so muß man 
mindestens beweisen, daß jene Denkschrift auf die Entstehung des Zollvereins mittelbar 
oder unmittelbar irgend einen Einfluß gehabt hätte. Will man behaupten, „der preußische 
Grundsatz der Separatverhandlungen mit den einzelnen Staaten habe sich mit dem 
Nebenius'schen Gedanken des Zollvereins gleichsam vermählt“, so muß man den Nachweis 
führen, wo und wann denn besagte Vermählung vollzogen worden sei. Dieser Nachweis 
ist aber von Roscher und seinen Meinungsgenossen nicht einmal versucht worden, und 
er kann auch gar nicht geführt werden. 
Nebenius war, als er jene Denkschrift schrieb, ein Gegner der preußischen Zollpolitik; 
er wähnte, „kein deutscher Staat außer Oesterreich vermöge sein Gebiet gegen fremde 
Concurrenz wirksam zu schützen“, während Maassen umgekehrt von der richtigen Ansicht 
ausging, das preußische Zollgesetz werde diesen Schutz bewirken. Der Badener wollte 
Beseitigung aller bestehenden deutschen Zollgesetze, auch des preußischen, und dafür ein 
vereinbartes System von Bundeszöllen; die preußische Regierung dagegen verwarf das 
Bundeszollwesen mit Recht als eine Utopie, sie wollte zunächst ihr eigenes Zollgesetz durch- 
führen. Die Nebenius'sche Denkschrift wurde daher auf den Wiener Conferenzen von 
dem Grafen Bernstorff nachdrücklich bekämpft, weil sie den Grundgedanken der preußischen 
Handelspolitik zuwiderlief, und blieb nachher vierzehn Jahre lang völlig vergessen in den 
Acten liegen. Kein einziges unter den tausenden von Schriftstücken, die ich im Geh. 
Staatsarchiv zur Geschichte des Zollvereins durchsucht, erwähnt jener Arbeit, auch in 
Motz's nachgelassenem Briefwechsel kommt Nebenius' Name gar nicht vor. Bei den 
entscheidenden Verhandlungen von 1828—1833 war Nebenius weder selbst betheiligt, 
noch empfing einer der dabei thätigen Staatsmänner von ihm Belehrungen. 
Erst im Jahre 1833 erwies Nebenius der preußischen Handelspolitik einen wichtigen 
Dienst. Die Zollverträge zwischen dem preußisch-hessischen und dem bairisch-württem- 
bergischen Verbande wurden soeben den Kammern in Stuttgart zur Genehmigung 
vorgelegt; die Verhandlungen mit Baden schwebten noch. Da warf Nebenius seine 
Schrift „über den Eintritt Badens in den Zollverein“ auf den Markt hinaus. Er hatte in- 
zwischen seine früheren Irrthümer längst aufgegeben und empfahl nunmehr mit zwingenden 
Gründen den Anschluß Süddeutschlands an das preußische System; er wollte durch seine 
Flugschrift zugleich auf den württembergischen Landtag und auf die Stimmung in seiner 
eigenen Heimath wirken. Als Anhang der neuen Denkschrift war jene längst vergessene 
ältere von 1819 abgedruckt. Die badische Regierung wünschte ihrem trefflichen Geheimen 
Rathe eine wohlverdiente Anerkennung zu verschaffen, sie gab die Schrift dem preußischen 
Gesandten zur Mittheilung an seinen Hof. Es war was man in England üishing for 
compliment nennt. Das Berliner Cabinet mußte dem Verfasser einige freundliche Worte 
sagen; man war ihm zu Danke verpflichtet und seine Stimme fiel bei der ernsten Ent- 
scheidung, die in Karlsruhe bevorstand, schwer ins Gewicht. Eichhorn schrieb daher 
(28. Nobr. 1833) an den Gesandten Otterstedt: die neue Denkschrift über Badens Bei- 
tritt sei ihm „sehr interessant“" gewesen. „Gewiß hat der Herr Verfasser durch diese 
Schrift sich ein großes Verdienst für das richtige Verständniß der wichtigen Angelegen- 
heit der Zollvereinigung in seinem Vaterlande und vielleicht auch in deutschen Nachbar- 
staaten erworben. Zur gerechten Genugthuung wird es demselben gereichen, wenn er 
aus den Verträgen der jetzt zu einem gemeinsamen Zoll= und Handelssysteme verbun- 
denen Staaten ersehen wird, wie vollständig nunmehr die Ideen ins Leben getreten sind, 
welche, nach dem Anhange seiner Denkschrift, von ihm schon im Jahre 1819 über die
	        
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