Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Staatsschulden-Gesetz. 71 
nungen über den Staatsrath und das Staatsministerium, welche „bis 
etwas Anderes an die Stelle tritt, als die Charte des Reichs“ zu gelten 
hätten. Der Ausfall in den Staatseinnahmen, welchen die Verzögerung der 
Steuergesetze bewirken würde, könne äußersten Falles, wie im Jahre 1808, 
durch Abzüge von den Gehältern der Beamten gedeckt werden. „Kein an- 
deres Motiv leitet mich" — so betheuerte Witzleben schließlich — „als 
meine Ueberzeugung von der Wichtigkeit der Sache und die Besorgniß, 
den in den Annalen des Vaterlandes glänzenden Namen eines Mannes 
durch die Verletzung von ihm selbst gegebener Gesetze befleckt zu sehen.“) 
Hardenberg ließ sich selbst durch diese herzlichen Mahnungen keines- 
wegs überzeugen, doch durfte er dem erklärten Willen des Monarchen nicht 
zuwiderhandeln. Aber auch der König hatte inzwischen eingesehen, daß 
die Regelung des Schuldenwesens nur bei unverbrüchlicher Verschwiegen- 
heit möglich war, und so einigte man sich denn auf Rother's Vorschlag über 
einen Mittelweg. Man beschloß, die Rechte der beiden höchsten Behörden, 
so weit es noch anging, zu wahren, also die sämmtlichen Steuergesetze, die 
in der That auch sachlich noch einer erneuten Prüfung bedurften, dem 
Ministerium und dem Staatsrath zu überweisen, aber die Edikte über die 
Staatsschuld sofort zu verkündigen.) 
Am 17. Januar 1820 erschien demnach die Verordnung wegen der 
Behandlung des Staatsschuldenwesens, welche den Staatsschuldenetat 
feststellte und auf immer für geschlossen erklärte. Vier volle Jahre nach 
dem Friedensschluß lernten die Preußen endlich das traurige Vermächtniß 
der napoleonischen Tage kennen. Am Ende des Jahres 1806 hatte die 
Schuld nicht ganz 54½ Mill. Thlr. betragen; jetzt belief sie sich auf 
180,091,720 Thlr. verzinsliche Staatsschulden, dazu noch 11,1 Mill. 
unverzinsliches Papiergeld und 25,9 Mill. vom Staate übernommene Pro- 
vinzialschulden, insgesammt 217,248,762 Thlr., etwa so viel wie die 
Staatseinnahmen von 4¼ Jahren. Den Hauptposten der verzinslichen 
Schuld bildeten 119,5 Mill. Staatsschuldscheine. Dies im Jahre 1810 
durch Hardenberg eingeführte Papier wurde seit dem 1. Juli 1814 wieder 
regelmäßig mit vier von Hundert verzinst, und es lag im Plane, nach 
und nach alle Schuldverschreibungen des Staates in Staatsschuldscheine 
umzuwandeln. Bereits waren vierundzwanzig verschiedene Arten von 
Schuldscheinen, wie sie die wilde Zeit dem Staate aufgebürdet hatte — 
russische Bons und polnische Reconnaissancen, rückständige Gehaltbons 
und Lieferungsscheine, Kalckreuth'sche Danziger Obligationen u. s. w. — in 
  
*) Witzleben, unterthäniges Promemoria, 16. Jan. 1820. C. Dieterici, zur Ge- 
schichte der Steuer-Reform in Preußen, Berlin 1875, theilt (S. 235) Einiges aus dieser 
Denkschrift mit, bezeichnet sie aber irrthümlich als eine dem Staatskanzler zugegangene 
königliche Instruktion. 
*“.) Rother an Hardenberg, 16. Jan.; Hardenberg an Rother, 16. Jan.z Harden- 
berg's Tagebuch, 16., 17. Jan. 1820.
	        
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