Die Staatsschuld und die Reichsstände. 77
des Hofhalts nach freiem Ermessen aus den Domanialeinkünften bestritten;
jetzt schrieb sie sich selber ein unüberschreitbares Jahreseinkommen vor,
eine bescheiden bemessene Summe, die nur bei knapper Wirthschaft aus—
reichte, da die Ausgaben des Hofes durch die Erwerbung der neuen Pro—
vinzen beträchtlich gestiegen waren. Der absolute König bezog also fortan,
gleich den constitutionellen Fürsten, eine gesetzliche Civilliste; indeß wurde
der verrufene moderne Name vermieden und das königliche Einkommen
nicht wie in mehreren der süddeutschen Staaten blos für die Lebenszeit
des Landesherrn, sondern ein- für allemal festgestellt, was der Würde des
Thrones besser entsprach. Die Prinzen erhielten auch keine Apanagen vom
Staate, sondern der König blieb, den Traditionen der Hohenzollern ge—
mäß, das unbeschränkte Oberhaupt des königlichen Hauses, er bestimmte
den Mitgliedern der Dynastie ihr Einkommen nach alten Vorschriften
und Testamenten, die als Familiengeheimniß behandelt wurden. Damit
ward ein schweres Hinderniß der Verfassung aus dem Wege geräumt, da
Friedrich Wilhelm so unziemliche Verhandlungen, wie sie der badische
Landtag über das Einkommen des Fürstenhauses geführt, nie ertragen
hätte, und zugleich den künftigen Reichsständen ein wirksames Recht ge—
währt; denn ohne deren Genehmigung durfte die Krone fortan die zur
Verzinsung und Tilgung der Staatsschuld bestimmten Domanialeinkünfte
nicht mehr schmälern.
Das ganze Schuldenwesen sollte künftighin den Reichsständen unter—
geordnet werden; nur unter ihrer Mitgarantie, so versprach der Artikel 2,
konnte der König neue Anleihen aufnehmen. Bis ins Einzelne wurden
die Rechte der reichsständischen Versammlung im Voraus bestimmt. Die
Schuldenverwaltung erhielt den Auftrag, den Reichsständen jährlich Rechen—
schaft abzulegen; schied eines ihrer Mitglieder aus, so hatten die Reichs—
stände dem Könige drei Canditaten zu bezeichnen. Einstweilen sollte der
Staatsrath die ständischen Rechte ausüben; zur Aufbewahrung der ein—
gezogenen Obligationen aber wurde vorläufig, bis zur Einberufung des
allgemeinen Landtags, eine Deputation des Berliner Magistrats hinzu—
gezogen — eine Vorschrift, die, seltsam und willkürlich wie sie war, offen—
bar nur als Nothbehelf für kurze Zeit dienen sollte. Alle diese Zusagen
hatte der König unbedenklich genehmigt. Der Staatskanzler glaubte sich
schon fast am Ziele seiner Wünsche. Nach allen diesen neuen Verhei—
ßungen schien die Vollendung der Verfassung unausbleiblich, und mit
schwerem Herzeleid betrachtete der Badener Berstett, der Getreue Metter—
nich's, dies unglückliche Edikt, das so schlimme Mißdeutungen veranlassen
müsse.) Wohl war es ein gefährliches Wagniß, daß Hardenberg wieder
wie so oft schon das königliche Wort für eine unbekannte Größe verpfändete,
die Rechte der Krone zu Gunsten eines Reichstags, der noch gar nicht
7) Berstett an General Stockhorn, Januar 1820.