Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

78 III. 2. Die letzten Reformen Hardenberg's. 
bestand, im Voraus beschränkte. Indeß er hoffte jetzt bestimmt den all- 
gemeinen Landtag schon in Jahresfrist zu eröffnen, und bis dahin konnte 
man eine neue Anleihe sicher vermeiden; selbst wenn ein Krieg über Nacht 
hereinbrach, besaß der Staat noch einen Nothpfennig an den zurück- 
behaltenen Staatsschuldscheinen. Die Zusage der ständischen Mitwirkung 
war auch durch finanzielle Rücksichten geboten; denn nur darum fand das 
Schulden-Edikt bei der Geschäftswelt eine so günstige Aufnahme. Selbst 
Rother, der keineswegs zu den liberalen Parteimännern gehörte, erklärte 
offen, ohne Reichsstände könne der öffentliche Credit nicht mehr auf die 
Dauer gesichert werden. 
Die Hoffnungen der Verfassungsfreunde begannen sich wieder zu be- 
leben. Marwitz aber meinte, durch die neue Civilliste und den Verkauf 
der Domänen verliere der König seine Wurzel im Staate, während um- 
gekehrt der liberale Schön klagte, seit der Errichtung des Kronfideicommisses 
sei der Monarch nur noch der erste der Landjunker. Nach der Ansicht 
des Führers der brandenburgischen Adelspartei hätte man einfach die 
Staatsschuld auf ein Drittel oder ein Zehntel ihres Nennwerthes herab- 
setzen sollen, da die Zinsen doch nur den Wucherern den Beutel füllten. 
Und zu allem Unheil vollzog der Staatskanzler gleichzeitig mit dem Schulden- 
Edikte den längst vorbereiteten nothwendigen Eingriff in die ständischen 
Institutionen Brandenburgs. Da der Staat mit der gesammten Staats- 
schuldenmasse auch die alte bisher von den Ständen der Kurmark ver- 
waltete brandenburgische Staatsschuld wieder selbst übernahm, so wurde 
die kurmärkische Landschaft mitsammt ihren Biergelds-, Hufen= und Giebel- 
schoßkassen von Rechtswegen aufgehoben. „Die sonstigen ständischen Ver- 
hältnisse", erklärte der König, „sollten dadurch nicht berührt, sondern später 
auf Grund der Verordnung vom 22. Mai neu geregelt werden.“ Als 
die Ritterschaft in einer höchst unehrerbietigen Vorstellung ihre angeblich 
verletzten Rechte verwahrte, ertheilte ihr der Monarch eine scharfe Rüge. 
Der Oberpräsident nahm das Berliner Landhaus in Besitz; die Führer 
der Ritterschaft verweigerten jede Mitwirkung, Allen voran der alte 
Minister Voß-Buch. Also erschien Hardenberg wieder, wie vor neun 
Jahren, als der rücksichtslos entschlossene Bändiger des märkischen Adels. 
Friedrich Buchholz aber, der früher die Herrlichkeit märkischer Stände- 
freiheit gepriesen, hielt nunmehr für zeitgemäß, in der „Neuen Monats- 
schrift für Deutschland“ zu beweisen, daß die Wiederherstellung der alten 
Zustände unmöglich sei; nur eine wirkliche Volksvertretung könne der neuen 
Zeit genügen. 
Auch der ständische Particularismus der rheinisch-westphälischen Edel- 
leute begegnete kalter Ablehnung. Sie waren vor Kurzem von dem 
Justizminister abgewiesen worden, als sie um Wiederherstellung des privi- 
legirten Gerichtsstandes baten. Jetzt beschwerten sich die Stände der 
Grasschaft Mark, an ihrer Spitze abermals der rastlose Bodelschwingh-
	        
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