Mitregentschaft des Kurprinzen. 141
am Hofe sich herstellen. König Friedrich Wilhelm gab seiner Schwester auch
ausdrücklich Vollmacht, sich mit der Gräfin Schaumburg zu verständigen.“)
Die unglückliche Fürstin aber hatte unter dem hessischen Dirnenregiment
zu schwer gelitten, sie konnte den Widerwillen der Frau, den Stolz der
Hohenzollerin nicht überwinden, und da ihr Sohn sich durch trotzige
Roheit rächte, so blieb es dabei, daß dies Fürstenhaus keine allgemein
anerkannte Herrin besaß.
Die ersten Wochen der neuen Regierung verliefen leidlich. Wiederhold
übernahm die Leitung des Ministeriums und kam dem Landtage so weit
entgegen, daß er sogar in die Entlassung des halb schuldigen Kriegsministers
willigte. Durch solche Nachgiebigkeit wurde freilich das Selbstgefühl der
Stände bedenklich gesteigert. Erstaunlich, was sie jetzt alles aus dem Geiste
ihrer Verfassung heraus zu folgern wußten. Als der Kurprinz einmal einige
Abgeordnete während einer Sitzung zur Tafel befohlen hatte, beantragte
Jordan, die verantwortlichen Minister sollten das Hofmarschallamtersuchen,
solche Einladungen zu unterlassen, denn der Regent sei nicht berechtigt,
die Vertreter des Volks ihren Geschäften zu entziehen. Bald führte das
Zerwürfnis im Kurhause zu neuen Ruhestörungen. Ergrimmt über die
geringschätzige Behandlung seiner Gemahlin, ließ der Kurprinz seiner Mutter
ihre Loge im Theater verschließen; am nächsten Tage nahm er den Befehl
zurück, da er die allgemeine Entrüstung bemerkte. Als nun die Kurfürstin
am 7. Dezember im Theater erschien, begrüßten sie die Zuschauer mit
Hochrufen auf „unsere rechtmäßige Landesmutter“. Draußen strömte das
Volk zusammen, man wollte die Kurfürstin mit Fackeln nach Hause ge-
leiten. Da eilten Truppen herbei, der Polizeidirektor verkündete den
Kriegszustand, obwohl ernste Unordnungen diesmal nicht vorgekommen
waren; die Gardedukorps sprengte in den Haufen ein und verwundete
mehr als zwanzig Leute. Währenddem ging der Kurprinz auf dem Fried-
richsplatze unter den Soldaten umher und rühmte sich nach vollbrachter
Tat, nun habe er sich endlich Respekt verschafft.
Nach wenigen Tagen verlor er wieder den Mut, da Hänlein ihm
ins Gewissen redete, ordnete eine Untersuchung an und bedauerte in einer
Bekanntmachung, daß „im nächtlichen Dunkel Unfälle geschehen seien“.
Die Bürger bezeigten ihren Zorn durch widerwärtige Händel mit den
Truppen. Der Verfassungsfreund schrieb, da der Kurprinz nur Uniform
trug: ein Fürst, der immer im Soldatenkleide erscheint, beweist damit, daß
er das Oberhaupt nicht des Staates, sondern des Militärs sein will. Am
Silvesterabend wurde Jordan, zu seinem Namenstage, mit überschweng-
lichen Huldigungen geehrt; bald darauf hielten die Abgeordneten der beiden
Hessen in Gießen ein feierliches Eintrachtsmahl, tranken miteinander auf
die gemeinsame Freiheit, und jeder Teilnehmer erhielt zum Andenken einen
*) Hänleins Berichte, 12. Nov. 27. 31. Dez. 1831.