Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Mitregentschaft des Kurprinzen. 141 
am Hofe sich herstellen. König Friedrich Wilhelm gab seiner Schwester auch 
ausdrücklich Vollmacht, sich mit der Gräfin Schaumburg zu verständigen.“) 
Die unglückliche Fürstin aber hatte unter dem hessischen Dirnenregiment 
zu schwer gelitten, sie konnte den Widerwillen der Frau, den Stolz der 
Hohenzollerin nicht überwinden, und da ihr Sohn sich durch trotzige 
Roheit rächte, so blieb es dabei, daß dies Fürstenhaus keine allgemein 
anerkannte Herrin besaß. 
Die ersten Wochen der neuen Regierung verliefen leidlich. Wiederhold 
übernahm die Leitung des Ministeriums und kam dem Landtage so weit 
entgegen, daß er sogar in die Entlassung des halb schuldigen Kriegsministers 
willigte. Durch solche Nachgiebigkeit wurde freilich das Selbstgefühl der 
Stände bedenklich gesteigert. Erstaunlich, was sie jetzt alles aus dem Geiste 
ihrer Verfassung heraus zu folgern wußten. Als der Kurprinz einmal einige 
Abgeordnete während einer Sitzung zur Tafel befohlen hatte, beantragte 
Jordan, die verantwortlichen Minister sollten das Hofmarschallamtersuchen, 
solche Einladungen zu unterlassen, denn der Regent sei nicht berechtigt, 
die Vertreter des Volks ihren Geschäften zu entziehen. Bald führte das 
Zerwürfnis im Kurhause zu neuen Ruhestörungen. Ergrimmt über die 
geringschätzige Behandlung seiner Gemahlin, ließ der Kurprinz seiner Mutter 
ihre Loge im Theater verschließen; am nächsten Tage nahm er den Befehl 
zurück, da er die allgemeine Entrüstung bemerkte. Als nun die Kurfürstin 
am 7. Dezember im Theater erschien, begrüßten sie die Zuschauer mit 
Hochrufen auf „unsere rechtmäßige Landesmutter“. Draußen strömte das 
Volk zusammen, man wollte die Kurfürstin mit Fackeln nach Hause ge- 
leiten. Da eilten Truppen herbei, der Polizeidirektor verkündete den 
Kriegszustand, obwohl ernste Unordnungen diesmal nicht vorgekommen 
waren; die Gardedukorps sprengte in den Haufen ein und verwundete 
mehr als zwanzig Leute. Währenddem ging der Kurprinz auf dem Fried- 
richsplatze unter den Soldaten umher und rühmte sich nach vollbrachter 
Tat, nun habe er sich endlich Respekt verschafft. 
Nach wenigen Tagen verlor er wieder den Mut, da Hänlein ihm 
ins Gewissen redete, ordnete eine Untersuchung an und bedauerte in einer 
Bekanntmachung, daß „im nächtlichen Dunkel Unfälle geschehen seien“. 
Die Bürger bezeigten ihren Zorn durch widerwärtige Händel mit den 
Truppen. Der Verfassungsfreund schrieb, da der Kurprinz nur Uniform 
trug: ein Fürst, der immer im Soldatenkleide erscheint, beweist damit, daß 
er das Oberhaupt nicht des Staates, sondern des Militärs sein will. Am 
Silvesterabend wurde Jordan, zu seinem Namenstage, mit überschweng- 
lichen Huldigungen geehrt; bald darauf hielten die Abgeordneten der beiden 
Hessen in Gießen ein feierliches Eintrachtsmahl, tranken miteinander auf 
die gemeinsame Freiheit, und jeder Teilnehmer erhielt zum Andenken einen 
  
*) Hänleins Berichte, 12. Nov. 27. 31. Dez. 1831.
	        
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