Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Frankreich und die deutschen Höfe. 211 
zugleich und verwundet. An dem Tage, da der König von Preußen in 
seinem Staate die Reichsstandschaft begründet, wird der gesetzliche Deutsche 
wieder aufatmen; er hat die Versicherung, daß bei der Freiheitsent— 
wicklung Gesetz wohnen werde, daß unseren Dynastien ihre Ehre ver— 
bleibe, daß aber auch fortan die Bundesversammlung in ihre Berech— 
nungen die leitenden Ideen aufnehmen und allmählich dem Grundgesetze 
einverleiben werde, welche das gute heimische Recht sicherstellen vor jeder 
verderblichen Einwirkung, sei's von Osten oder von Westen.“ — 
  
Für solche Pläne einer Verjüngung des Bundestages fehlten für 
jetzt noch alle Vorbedingungen. Preußens Bundespolitik ging, wie sie 
es mußte, zunächst nur darauf aus, Deutschlands innere und äußere 
Sicherheit in so drangvoller Zeit zu befestigen. Dem Hofe des Palais 
Royal gegenüber hielten sich die kleinen deutschen Kabinette allefumt 
untadelhaft, weit patriotischer als ihre liberalen Untertanen. Bei einigen 
mochte der Haß gegen die Revolution, bei anderen die noch frische Er- 
innerung an das Schicksal Friedrich Augusts von Sachsen mitwirken, 
die Mehrzahl war wirklich national gesinnt. Als General Sebastiani 
unter der Hand bei dem bayrischen, dem württembergischen Gesandten 
und dem Karlsruher Hofe anfragte, ob nicht ein neuer Rheinbund oder 
doch eine Neutralität Süddeutschlands möglich sei, da ward er überall scharf 
abgewiesen, und die kleinen Höfe berichteten das Geschehene getreulich 
den deutschen Großmächten.*) König Ludwig von Bayern war in dieser 
Zeit, da die Zollverhandlungen sich so glücklich abgewickelt hatten, Feuer 
und Flamme für Preußen und versicherte dem Könige Friedrich Wilhelm, 
als er seinen Sohn auf die Berliner Hochschule sendete, wiederholt: sein 
Thronfolger solle dort sich mit denselben Gesinnungen für Preußen er- 
füllen, „die mich durchdringen, für Preußen, was mehrmalen Bayern 
meinem Hause erhielt, der ich nur in engem Verbande mit Preußen 
Deutschlands Heil sehe.“““) Auch der König von Württemberg hatte mit 
den Trias-Träumen früherer Jahre gründlich gebrochen; die hohle Rhe- 
torik der Liberalen widerte seinen nüchternen Geist mehr und mehr an. 
Als er im Juni 1831 mit Ludwig Philipp in Straßburg zusammentraf, 
verhielt er sich sehr schweigsam und sagte schließlich dem Franzosen rund 
heraus, an einen neuen Rheinbund sei gar nicht zu denken.) 
Diese achtungswerte Gesinnung der kleinen Höfe hinderte freilich 
nicht, daß jeder durchgreifende Bundesbeschluß, nach altem Frankfurter 
Brauche, auf eigensinnigen Widerspruch stieß. Am 18. Sept. 1830 ver- 
sammelte Münch, im Einverständnis mit Nagler, die Bundesgesandten 
  
*) K. Ludwig von Bayern an K. Friedrich Wilhelm, 17. März 1831. Otterstedts 
Bericht, 12. Dezember 1830. Arnims Bericht, Karlsruhe 8. Januar 1831. 
**) K. Ludwig von Bayern an K. Friedrich Wilhelm, 30. Sept., 2. Nov. 1830. 
*7) Berichte Salviatis, 27. Juni, Otterstedts, 21., 26. Juni 1831. 
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