Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Rotteck und Welcker. 229 
Angriffe ihrer eigenen Untergebenen Schritt für Schritt zurückgedrängt. 
Schon während des stürmischen Wahlkampfes konnte scharfen Beobachtern 
nicht entgehen, daß sich in der Stille bereits eine radikale Partei gebildet 
hatte, deren Pläne weit über die Ziele der Liberalen hinausgingen. Zu 
selbständigem Auftreten fühlte sie sich aber noch zu schwach, und Adam 
von Itzstein, der unter allen den Neugewählten ihr am nächsten stand, 
war viel zu klug, um sich offen zu ihr zu bekennen. Nicht umsonst hatte 
Itzstein einst in seiner Mainzer Heimat das Treiben der Klubisten mit 
angesehen; sein kalter Fanatismus erinnerte an die gewiegten jakobinischen 
Parteimänner des Konvents. Darum fürchtete ihn Metternich als den 
einzigen gefährlichen Mann der badischen Opposition. Immer im stillen 
tätig, verstand er meisterhaft, durch diplomatisches Zureden die Schwan- 
kenden bei der Stange zu halten. Offentlich sprach er nur selten, aber 
die Schärfe seiner Rede verletzte tödlich, weil man fühlte, daß jedes krän- 
kende Wort genau erwogen war. 
Der ehrliche Rotteck hatte inzwischen längst die radikalen üheoreti- 
schen Folgerungen gezogen, welche sich aus seiner Lehre von der Volks- 
souveränität unausweichlich ergaben; in seinem Lehrbuche des Vernunft- 
rechts erklärte er kurzab, nur die Republik sei gerecht und gut, nur nach 
dem Maße der Annäherung an dieses ideale Ziel dürfe eine Verfassung 
gepriesen werden. Als praktischer Parlamentarier ließe er sich indessen 
wohl gefallen, daß in Baden noch ein Teil der ursprünglichen Volks- 
gewalt dem Monarchen übertragen war, und durch die gutherzige Freund- 
lichkeit seines Auftretens brach er mancher seiner scharfen Außerungen selber 
die Spitze ab. Von anderem Schlage war Welcker, ein untersetzter Mann 
mit gerötetem strengen Gesicht und zornig funkelnden großen Augen; wie 
ein Kampfstier erhob er sich zum Sprechen, über der tobenden Heftigkeit 
seiner unaufhaltsam dahinbrausenden Reden vergaß man ganz, daß er 
mindestens in der Theorie nicht so weit ging wie Rotteck. Er nannte 
sich gern einen alten Soldaten der Freiheit, er lebte und webte in dem 
Kampfe wider die Reaktion und betrachtete den Bundestag als seinen 
persönlichen Feind. Über die Bosheit der Fürsten tröstete er sich nur 
auf Augenblicke, wenn er in seinem Zimmer die lange Reihe der Bürger- 
kronen und Ehrenbecher, lauter Weihgeschenke des gesinnungstüchtigen 
Volkes, wohlgefällig musterte. Von den berühmten Heidelberger Professoren 
erschien nur der gutkatholische Altbayer Mittermaier, ein Jurist von un- 
geheurer Belesenheit, weltberühmt durch seine Kenntnis des ausländischen 
Rechts, seit langem eifrig bemüht für die Einführung der Schwurgerichte 
und die Verbesserung der Gefängnisse, freilich mehr ein vielwissender Ge- 
lehrter als ein selbständiger Denker, gemäßigt in seinen politischen Grund- 
sätzen, aber keineswegs unempfänglich für die Tageslaunen der öffentlichen 
Meinung. An diese Führer schloß sich eine ganze Schar treuer Bekenner 
des liberalen Vernunftrechts: aus Freiburg der geschäftskundige Jurist
	        
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