Rotteck und Welcker. 229
Angriffe ihrer eigenen Untergebenen Schritt für Schritt zurückgedrängt.
Schon während des stürmischen Wahlkampfes konnte scharfen Beobachtern
nicht entgehen, daß sich in der Stille bereits eine radikale Partei gebildet
hatte, deren Pläne weit über die Ziele der Liberalen hinausgingen. Zu
selbständigem Auftreten fühlte sie sich aber noch zu schwach, und Adam
von Itzstein, der unter allen den Neugewählten ihr am nächsten stand,
war viel zu klug, um sich offen zu ihr zu bekennen. Nicht umsonst hatte
Itzstein einst in seiner Mainzer Heimat das Treiben der Klubisten mit
angesehen; sein kalter Fanatismus erinnerte an die gewiegten jakobinischen
Parteimänner des Konvents. Darum fürchtete ihn Metternich als den
einzigen gefährlichen Mann der badischen Opposition. Immer im stillen
tätig, verstand er meisterhaft, durch diplomatisches Zureden die Schwan-
kenden bei der Stange zu halten. Offentlich sprach er nur selten, aber
die Schärfe seiner Rede verletzte tödlich, weil man fühlte, daß jedes krän-
kende Wort genau erwogen war.
Der ehrliche Rotteck hatte inzwischen längst die radikalen üheoreti-
schen Folgerungen gezogen, welche sich aus seiner Lehre von der Volks-
souveränität unausweichlich ergaben; in seinem Lehrbuche des Vernunft-
rechts erklärte er kurzab, nur die Republik sei gerecht und gut, nur nach
dem Maße der Annäherung an dieses ideale Ziel dürfe eine Verfassung
gepriesen werden. Als praktischer Parlamentarier ließe er sich indessen
wohl gefallen, daß in Baden noch ein Teil der ursprünglichen Volks-
gewalt dem Monarchen übertragen war, und durch die gutherzige Freund-
lichkeit seines Auftretens brach er mancher seiner scharfen Außerungen selber
die Spitze ab. Von anderem Schlage war Welcker, ein untersetzter Mann
mit gerötetem strengen Gesicht und zornig funkelnden großen Augen; wie
ein Kampfstier erhob er sich zum Sprechen, über der tobenden Heftigkeit
seiner unaufhaltsam dahinbrausenden Reden vergaß man ganz, daß er
mindestens in der Theorie nicht so weit ging wie Rotteck. Er nannte
sich gern einen alten Soldaten der Freiheit, er lebte und webte in dem
Kampfe wider die Reaktion und betrachtete den Bundestag als seinen
persönlichen Feind. Über die Bosheit der Fürsten tröstete er sich nur
auf Augenblicke, wenn er in seinem Zimmer die lange Reihe der Bürger-
kronen und Ehrenbecher, lauter Weihgeschenke des gesinnungstüchtigen
Volkes, wohlgefällig musterte. Von den berühmten Heidelberger Professoren
erschien nur der gutkatholische Altbayer Mittermaier, ein Jurist von un-
geheurer Belesenheit, weltberühmt durch seine Kenntnis des ausländischen
Rechts, seit langem eifrig bemüht für die Einführung der Schwurgerichte
und die Verbesserung der Gefängnisse, freilich mehr ein vielwissender Ge-
lehrter als ein selbständiger Denker, gemäßigt in seinen politischen Grund-
sätzen, aber keineswegs unempfänglich für die Tageslaunen der öffentlichen
Meinung. An diese Führer schloß sich eine ganze Schar treuer Bekenner
des liberalen Vernunftrechts: aus Freiburg der geschäftskundige Jurist