Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Abschluß mit Thüringen. 377 
die gute Stadt Leipzig überließ sich einer maßlosen Verzweiflung. Eine 
Petition, die der k. k. Konsul Bercks geschäftig umhertrug, warnte die 
Regierung; die Stadtverordneten richteten eine dringende Vorstellung nach 
Dresden. An Zeschaus Wohnung fand sich eines Morgens ein Anschlag: 
„Allhier wird von einem Parvenu, einem preußischen Landrat, so säch- 
sischer Finanzminister geworden ist, das Land für Geld und Orden an 
Preußen verkauft.“ Der Taumel ergriff jeden Stand und jedes Alter. 
Die Leipziger Schulbuben kauften sich englische Farbkasten auf Vorrat, 
weil sie mit frühreifer handelspolitischer Vorsicht befürchteten, das gewohnte 
Spielzeug werde nunmehr für bürgerliche Geldbeutel unerschwinglich wer- 
den. Ein Jahr darauf schon begann für die Pleißestadt eine neue Epoche 
glänzender Handelsblüte; das kleine Frankfurt wurde durch den über- 
legenen Nebenbuhler ganz zurückgedrängt, die mächtigen Leipziger Firmen 
lernten bald den Frankfurter Meßrabatt für sich selber zu benutzen. Auch 
die Klagen der preußischen Fabrikanten verstummten, und niemand wollte 
die warnenden Petitionen unterschrieben haben. Zeschau selbst, der Wohl- 
täter Leipzigs, hat freilich von den stolzen Kaufherren der Meßstadt nie- 
mals irgendeine Genugtuung für so viele Schmähungen erhalten. 
Während diese verwickelte zweifache Verhandlung in wiederholten 
Unsätzen erledigt wurde, hatte Eichhorns unverwüstliche Geduld zugleich 
ein drittes schwieriges Geschäft zu führen: die Unterhandlungen mit den 
thüringischen Staaten. In Thüringen wie in Sachsen und Kurhessen 
wurde die beginnende Bekehrung gefördert durch den unruhigen Sommer 
von 1830, durch die Angst vor den murrenden Massen. Hier wie in 
Sachsen hoffte man anfangs, sogleich einseitige Handelserleichterungen 
von Preußen zu erlangen. Der weimarische Minister Gersdorff kam im 
Januar 1831 zugleich mit Lindenau nach Berlin, überbrachte ein Hand- 
schreiben seines Großherzogs, das um solche Vergünstigung bat: „dies 
würde in einer Periode mannigfacher Aufregungen Ubelgesinnten einen 
Vorwand zu schlechten Einwirkungen entnehmen.“ Auf wiederholte ähn- 
liche Anfragen kleiner thüringischer Höfe antwortete das Berliner Kabinett 
(5. Juli 1831): man sei bereit, über einen Zollverein zu verhandeln, 
doch nur mit allen thüringischen Staaten gemeinsam, und nur, wenn 
diese Höfe sich nicht mehr gebunden glaubten an den mitteldeutschen 
Verein. Erst als Kurhessen zu dem preußischen Vereine übergetreten 
war, erklärten die ernestinischen Höfe: der mitteldeutsche Verein sei tat- 
sächlich aufgelöst. 
General Lestocq, der vielgeplagte Gesandte, den die thüringischen 
und einige andere kleine Dynastien in Berlin auf gemeinsame Kosten 
ernährten, überreichte am 15. Januar 1832 eine Verbalnote: Preußen 
möge die Initiative ergreifen, ältere bindende Verpflichtungen beständen 
nicht mehr. Weimar drängte am eifrigsten; das Großherzogtum besaß 
an Gersdorff und O. Thon zwei treffliche Verwaltungsbeamte, die wohl
	        
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