Hannovers Antrag auf Bundeszölle. 391
Recht ist durch den Bundestag zu schützen. Elbe und Weser, diese beiden
einzigen reindeutschen Welthandelswege, werden nur dann wahrhaft frei
im Sinne der Wiener Kongreßakte, wenn auch die Landstraßen in ihrem
Stromgebiete aller Durchfuhrzölle entlastet sind. Deshalb müssen die
Transitzölle auf den Stand von 1815 zurückgeführt werden. — Und diese
leeren Redensarten dreister Kaufmannslist, die offenbar nur den Zweck
hatten, den Durchzug der englischen Waren zwischen Hamburg und
Frankfurt sicherzustellen und das deutsche Binnenland einem großartigen
Schmuggel preiszugeben — sie wurden noch fünfzehn Jahre später von
einem unserer geistvollsten Publizisten, dem Schwaben C. F. Wurm (in
seinem bekannten Kommissionsbericht über die Aufgabe der Hansestädte 1847)
alles Ernstes verteidigt!
Fest und sicher, wie einst Bernstorff in Wien, trat jetzt Nagler in
Frankfurt der bundespatriotischen Heuchelei entgegen; er zeigte abermals,
daß der Bund diese Sache nicht fördern könne, denn am Bundestage
seien auch solche Staaten vertreten, welche an einer wirklichen Zolleinigung
nicht teilnehmen wollten.*) Das Berliner Kabinett verwies stolz auf seine
Erfolge: alle anderen Versuche sind fehlgeschlagen, und nur diesem Fehl—
schlagen ist es zuzuschreiben, daß Hannover sich jetzt wieder an den Bun—
destag wendet. Was wäre denn erreicht durch die Ermäßigung der Durch—
fuhrzölle? Keine einzige deutsche Zollschranke fiele hinweg; in unserem
Zollvereine aber sind die Durchfuhrzölle für die Verbündeten nicht bloß
ermäßigt, sondern beseitigt. — Auch Kurhessen verwahrte sich gegen un-
fruchtbare halbe Maßregeln: nur die Verschmelzung der Zollsysteme kann
helfen, „dann wird kein Demagog das biedere deutsche Volk zu verführen
imstande sein.“ Eine neue preußische Denkschrift widerlegte alsdann
die Behauptung des Hamburger Senats. Sie erwies, wie untrennbar
Durchfuhr= und Einfuhrzölle zusammenhingen: und sage man doch nicht,
daß Hamburgs Vorschläge nicht dem Auslande zugute kommen sollen!
Von den „hanseatischen“ Waren, die Hamburg zollfrei ins Binnenland
zu führen denkt, würden neun Zehntel ausländischen Ursprungs sein.
Fast alle Bundesgesandten, so versicherten Blittersdorffs Berichte, ver-
nahmen diese „bundesfeindlichen“ Erklärungen mit höchster Entrüstung.
Münch klagte: „Preußen verteidigt heute dieselben Grundsätze der Revo-
lution, die es in der höheren Politik gemeinsam mit OÖsterreich bekämpft.
Die Bundesgesetze werden nicht mehr nach dem Rechte und dem Geiste
des Bundessystems, sondern nach administrativen und finanziellen Rück-
sichten ausgelegt.“ Metternich verdammte in einem Briefe an Münch
mit scharfen Worten „die an Narrheit grenzende Erklärung des Herrn
von Nagler“".“) Doch die preußische Narrheit behauptete das Feld. Die
*) Eichhorn, Denkschrift über den Art. 19 der Bundesakte, 25. Okt. 1832.
**) Blittersdorffs Bericht, 11. Febr. 1833.