Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Der hannöversche Steuerverein. 393 
einander durch ein Zollkartell und gegenseitige Uberweisung von En- 
klaven. Der Steuerverein verband wie der große Zollverein seine Mit- 
glieder zu vollständiger Zollgemeinschaft und verteilte wie dieser die Ein- 
künfte nach der Kopfzahl. Sehr niedrige Finanzzölle sollten den Engländern 
und den Hanseaten die Einfuhr erleichtern, dem wohlhabenden Landvolk 
wohlfeilen Kaffee und Rotwein verschaffen. Darum ward der Steuer- 
verein von dem hannöverschen Landtage ebenso lebhaft gepriesen, wie der 
große Zollverein von den süddeutschen Liberalen bekämpft wurde. Diese 
deutschen Großbritannier betrachteten es als ein Zeichen überlegener Ge- 
sittung, daß bei ihnen der Zentner Seidenwaren fast um 98, der Wein 
um 5, der Zucker um 7 Taler niedriger verzollt wurde als im Zollvereine; 
und die öffentliche Meinung des Binnenlandes, geneigt wie sie war, den 
Staat als einen heischenden Feind zu betrachten, fand dies Selbstgefühl 
anfangs ganz begreiflich. War doch der Ertrag der Finanzzölle sehr 
beträchtlich, 1 Taler auf den Kopf, um ein Drittel höher als im Zoll- 
vereine. Erst nach und nach begann man zu bemerken, daß dieser Sonder- 
bund zum Besten Englands und der Hanseaten die Industrie des eigenen 
Landes künstlich darniederhielt, und die Volkswirtschaft in den benach- 
barten Gebieten des Zollvereins weit rascher als in Hannover aufblühte. 
Die Staatsmänner Österreichs aber sanken nach so kläglichen Niederlagen 
bald wieder in die alte holde Selbsttäuschung zurück. Der große Zollverein 
war kaum jährig, da sagte Münch schon schadenfroh zu Blittersdorff: der 
Beitritt so vieler Staaten wird die Sonderinteressen verstärken und bald 
die Auflösung des Vereins herbeiführen!) 
  
Alsder Bundespräsidialgesandte diese patriotische Hoffnung aussprach, 
hatte der jugendliche Handelsbund freilich schon durch unzweideutige Zeichen 
seine Lebenskraft bekundet; er stand im Begriff, auch die letzten Klein- 
staaten Süd= und Mitteldeutschlands zu erobern. Baden, der mit Preußen 
so nahe befreundete Staat, war noch immer nicht dem Zollvereine beige- 
treten — ein schlagender Beweis für die ungeheure Schwierigkeit dieser 
verwickelten Unterhandlungen. Zweimal, in den Jahren 1829 und 
1830/31, hatte Preußen versucht, eine handelspolitische Verständigung 
zwischen Baden und den oberdeutschen Königen herbeizuführen. Immer 
war der unglückliche Sponheimer Handel dazwischen getreten — zum 
schweren Verdruß König Friedrich Wilhelms, der es als Ehrenpflicht 
betrachtete, gutes Einvernehmen unter den deutschen Staaten herzustellen. 
Der Karlsruher Hof war, trotz seiner dankbaren Ergebenheit gegen Preu- 
ßen, noch keineswegs ernstlich gesonnen, zum Besten der deutschen Handels- 
  
*) Blittersdorffs Bericht, 22. Jan. 1835.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.