Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

394 IV. 6. Der Deutsche Zollverein. 
einheit eine unbequeme Anderung des Bestehenden zu wagen. Er be- 
folgte noch den alten Grundsatz Berstetts: „Unsere Maxime ist, daß wir 
zwar gegen größere Mächte gern Deferenz haben und ihre Präponderanz 
anerkennen, daß wir sie aber als großmütig denken, welche den kleineren 
gern Vorteile gönnen, eben weil sie kleine Staaten sind und deren be- 
dürfen.“?) Die Regierung blickte mit Stolz auf ihr „Freihandelssystem“, 
auf ihre wichtige europäische Stellung zwischen Deutschland, Frankreich 
und der Schweiz. Die Zölle ertrugen 13 ¼ Sgr. auf den Kopf der Be- 
völkerung — weit weniger als in Preußen, doch immerhin genug, um 
den Wunsch nach Neuerungen nicht allzu laut werden zu lassen. Die 
materiellen Nachteile des schwunghaften badischen Schmuggelhandels fielen 
allein auf die Nachbarstaaten; für den schweren sittlichen Schaden, der 
das eigene Land traf, hatte weder die Regierung noch das Volk ein Ver- 
ständnis. Sprach doch sogar Nebenius in seiner Schrift über „Badens 
Beitritt“ vornehm von oben herab, als ob Baden selbst von dem Zoll- 
vereine wenig gewänne und nur um Deutschlands willen einträte. 
Daher zeigte die badische Regierung anfangs geringe Neigung, aus 
ihrer vereinsamten Stellung herauszutreten. Erst als Bayern und Würt- 
temberg sich entschlossen hatten, die vollständige Vereinigung mit Preußen 
zu beantragen, wurde man in Karlsruhe besorgt und fand es geraten, den 
gleichen Antrag in Berlin zu stellen (Mai 1832), weil „die später ein- 
tretenden Staaten ungünstigere Bedingungen erhalten würden“. *) Preu- 
ßen aber, vollauf beschäftigt mit Bayern, Württemberg, Sachsen und 
Thüringen, wollte für jetzt die badische Frage nicht berühren, die unfehlbar 
den Zorn des Wittelsbachers aufs neue erwecken mußte. Also blieb der 
Karlsruher Hof wieder untätig. Er hat sich dann noch eine Weile mit 
der Hoffnung getragen, der Antrag Hannovers am Bundestage könne 
vielleicht einen neuen Weg eröffnen und dem kleinen Lande die Aufhebung 
seines „Freihandelssystems“ ersparen. Da diese Erwartung trog, begann 
man endlich einzusehen, daß Baden keine Wahl mehr habe. Aber die aus- 
gesprochene Abneigung des Volks gebot dem Hofe Vorsicht; er hielt für 
nötig, zuvörderst eine Versammlung badischer Volkswirte zu berufen. 
Der Finanzminister Böckh verhandelte mit diesen Notabeln im Winter 
1833/34, ohne eine Einigung zu erzielen; die Landwirte und Kaufleute 
widersprachen entschieden dem Anschluß, sogar von den Fabrikanten war 
nur ein Teil dafür. 
Die preußischen Staatsmänner andererseits empfanden jetzt zum 
ersten Male schwer die Fesseln des gerühmten „Föderalismus“, sie sahen 
ihre diplomatische Aktion überall gehemmt durch die kleinen Verbündeten. 
Eichhorn selbst gestand dem Karlsruher Hofe: Bayern und Württemberg 
  
*) Berstett, Weisung an Frankenberg, Dez. 1826. 
:*) Gutachten des bad. Min. d. A. A., 3. Mai 1832.
	        
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