Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Siebenter Abschnitt. 
  
Das Junge Deutschland. 
Veränderungen seines Länderbestandes hat jedes große Volk von Zeit 
zu Zeit erlebt, aber nur den Deutschen beschied eine wechselreiche Ge- 
schichte, daß sich die Marken ihres Vaterlandes die Jahrhunderte hindurch 
fast unaufhörlich verschoben und niemand zu sagen wußte, welchen Ge- 
bieten eigentlich der große Name Deutschland gebühre. Derweil das alte 
Reich seine welschen Vorlande im Süden und Westen verlor, Osterreich, 
die Schweiz, die Niederlande ihrem Sonderleben überließ, erwuchs ihm 
ein köstlicher Ersatz in den Kolonien jenseits der Elbe, und aus diesen 
Landen des Nordostens, die zum guten Teile dem Reichsverbande nicht 
angehörten, erhoben sich die staatenbildenden Kräfte unserer neuen Ge- 
schichte. Auch der Deutsche Bund war gleich dem heiligen Reiche noch ein 
unfertiges politisches Gebilde ohne feste Grenzen, halb weltbürgerlich, halb 
national, zugleich zu weit und zu eng, mit Osterreich und noch drei an- 
deren undeutschen Mächten wunderlich verkettet und doch den preußischen 
Staat nicht ganz umschließend. Erst durch den Zollverein begann sich's 
zu entscheiden, welche Teile der ewig beweglichen Ländermassen Mittel- 
europas fortan das politische Deutschland der neuen Geschichte bilden 
sollten. Er umfaßte, Österreich in weitem Bogen umklammernd, das 
deutsche Land vom Memelstrom bis zum Bodensee — denn da die Küste 
immer dem Binnenlande gehört, so war der Zutritt der Staaten des 
hannöverschen Steuervereins nur noch eine Frage der Zeit — nicht alle 
die Gebiete, auf denen einst der Ruhm des deutschen Namens geruht 
hatte, aber ihren edlen Kern, die fröhliche Heimat deutscher Kunst im 
Südwesten und die waffenstolzen Adlerlande des Nordens, herrliche Kräfte, 
die im treuen Verein dereinst eine neue Zeit vaterländischen Glanzes her- 
aufführen konnten. An den idealen Mächten der Sprache und Gesittung, 
des rechtsbildenden Gemeingeistes, der Hoffnungen und Erinnerungen hatte 
die Nation bisher das Bewußtsein ihrer Größe genährt; jetzt erlangte sie 
auch die Gemeinschaft des wirtschaftlichen Lebens, den natürlichen Unter- 
bau der politischen Einheit, der ihr immer gefehlt hatte. In denselben 
schicksalsschweren Januartagen des Jahres 1834, da der Wiener Hof den
	        
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