Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

36 IV. 1. Die Juli-Revolution und der Weltsriede. 
unerwartet. König Friedrich Wilhelm hatte nach seiner Gewohnheit den 
Juli im Bade zu Teplitz verbracht und dort Metternichs Besuch emp- 
fangen. Trotz der Reibungen am Bundestage und trotz des geheimen 
Krieges der Hofburg wider die preußischen Zollvereinspläne hegte er keinen 
Groll gegen Osterreich; nach wie vor sah er in der großen Allianz die 
Bürgschaft des Völkerfriedens, er hoffte, dies seit dem orientalischen Kriege 
ganz aus den Fugen gegangene Bündnis von neuem zu befestigen und 
namentlich das gute Einvernehmen zwischen den beiden verfeindeten Kaiser- 
mächten wiederherzustellen. Da auch Metternich sehnlich wünschte, aus 
seiner selbstverschuldeten Vereinsamung herauszugelangen, so ergab sich 
eine vollkommene Übereinstimmung der Ansichten, und der Osterreicher 
gestand nachher: bei dieser Unterredung hätte er zuweilen glauben können, 
daß er sich im Kabinett des Kaisers Franz befände.) 
Als der König, von Teplitz heimkehrend, an seinem Geburtstage 
(3. August) den sächsischen Hof in Pillnitz besuchen wollte, ereilte ihn 
der Feldjäger mit den ersten Nachrichten aus Paris. Am selben Abend 
noch hielt er in dem nahen Landhause seines Gesandten Jordan eine 
erste Beratung mit Wittgenstein und Witzleben, und erklärte hier schon 
nachdrücklich, daß er zwar jeden Angriff der Franzosen kräftig zurückweisen, 
aber in Frankreichs innere Händel sich nicht einmischen werde. So auf- 
richtig er auch den Sturz des legitimen Bourbonenhauses beklagte, seine 
Friedensliebe, sein nüchterner Verstand, sein landesväterliches Pflicht- 
gefühl sträubten sich wider den Gedanken eines Weltkrieges, dessen Ge- 
fahren unzweifelhaft zunächst auf Preußen fallen mußten. Schon in Trop- 
pau und Laibach hatte er behutsam alles was seinen Staat belasten konnte 
von der Hand gewiesen;) wie sollte er sich jetzt in die Abenteuer eines 
neuen Champagnefeldzugs stürzen? Ich habe, so sagte er oft, in meiner 
Jugend die Greuel der Revolution gesehen und will mein Alter in ehren- 
vollem Frieden verleben. Die unberechenbare Macht der neuen Revolution 
hoffte er dann am sichersten in Schranken zu halten, wenn der große 
Vierbund ihr mit einmütigen Beschlüssen gegenüberträte. 
Damit die vier Mächte freie Hand und genügende Zeit für ihre Ver- 
abredungen behielten, wollte er also den diplomatischen Verkehr mit Frank- 
reichvorläufig einstellen und beauftragte seinen Gesandten Werther (7. Aug.), 
nach Verständigung mit den Bevollmächtigten der drei anderen Großmächte 
Paris zu verlassen. Als aber Werther seine Amtsgenossen zur Beratung 
versammelte, da zeigte sich sofort, daß der Vierbund nicht mehr bestand. 
England ging seines eigenen Weges; sein Gesandter erklärte, er habe Be- 
fehl, unter allen Umständen zu bleiben. Alle drei rieten dem Preußen, 
zunächst weitere Weisungen abzuwarten, da die letzte durch die Ereignisse 
  
)Brockhausens Bericht, 11. August 1830. 
S. o. III. 181.
	        
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