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hatte, empfing schon im ersten Jahre (1834) von dem Deutschen Zollver-
eine fast das Doppelte, 3,895 Mill. fl. Im Jahre 1840 hatte sich die zur
Verteilung gelangende Gesamteinnahme des Vereins seit 1834 schon
um mehr als die Hälfte gesteigert; sie war von 12,18 auf 19,01 Mill. Taler
gewachsen. Und wie wenig bedeuteten diese finanziellen Gewinste neben
dem gewaltigen Umschwunge, der sich überraschend schnell in der Volkswirt-
schaft des Südens vollzog. Preußens altbefestigte Großindustrie gewann
durch den Zollverein nur ein etwas vergrößertes Absatzgebiet. Der junge
süddeutsche Gewerbfleiß dagegen erlangte mit einem Male, was ihm bis-
her ganz gefehlt hatte, einen weiten freien Markt, er erlangte Zölle, welche
zwei= bis viermal höher standen als die bayrisch-württembergischen und in
der Tat einen genügenden Schutz gewährten; denn seit dem Jahre 1818
hatten sich die preußischen Zölle nur wenig geändert, während die meisten
ausländischen Fabrikwaren im Preise erheblich gesunken waren.
Unter so günstigen Anzeichen erstarkte die wirtschaftliche Tatkraft
des Südens zusehends. Eine Menge neuer Unternehmungen entstanden;
um Lahr, Mannheim, Ludwigshafen, Eßlingen, Augsburg, Nürnberg bil-
deten sich ganze Fabrikbezirke; die Süddeutschen erfuhren zum ersten Male,
was man im Norden schon kannte, daß verwandte Industriezweige sich an
einem Orte zusammenzudrängen pflegen. Während der Jahre 1834—42
stieg die Einfuhr der zur Verarbeitung bestimmten rohen Baumwolle im
Zollvereine auf mehr als das Doppelte, von 121 000 auf nahezu 243 000
Zentner. Da diese neuen Fabriken noch nicht fest auf ihren eigenen Füßen
standen, so riefen sie nach Schutz, und ganz plötzlich verschob sich die
Stellung der volkswirtschaftlichen Parteien. Vor kurzem erst hatten die
Süddeutschen über Preußens hohe Zölle geklagt, weil man in Berlin be-
greiflicherweise nicht geneigt war, zugleich mit dem Wagnis des Zollvereins
auch eine erhebliche Herabsetzung des Zolltarifs zu versuchen. Kaum war
der Verein geschlossen, so erschien sein Zollschutz schon ungenügend. Süd-
deutschland wurde die Wiege einer schutzzöllnerischen Partei, die den frei-
händlerischen Häfen und Handelsplätzen des Nordens scharf entgegentrat
und schon jetzt stark genug war, jede Ermäßigung der Zölle zu verhindern.
Die wenigen Veränderungen, welche der Zolltarif in den dreißiger Jahren
erlitt, waren fast allesamt Zollerhöhungen; so wurden die Zölle auf
Leinenzwirn, Seidenzwirn, Garn, gefärbte Seide etwas heraufgesetzt, offen-
bar um den Wünschen der süddeutschen Fabrikanten entgegenzukommen.
Es rächte sich aber jetzt, daß Süddeutschland in seiner Gewerbegesetzgebung
so weit zurückgeblieben war. Selbst manche wohlberechtigte Wünsche der
Augsburger und Stuttgarter Schutzzöllner erschienen den Berliner Ge-
heimen Räten verdächtig, weil der Süden für das klassische Land alt-
väterischer, zünftlerischer Vorurteile galt.
Während die Produzenten sich also sehr rasch in den Zollverein ein-
lebten und nur die Milde seiner Gesetzgebung beklagten, begannen auch