Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Winters Tod. Blittersdorff. 631 
dem volksbeliebten Minister des Innern kam Blittersdorff vorerst noch 
nicht auf. 
Da starb Winter plötzlich in der Kraft der Jahre (März 1837). Von 
allen Diplomaten folgte allein der preußische Gesandte seinem Sarge; bei 
den anderen Höfen hatte der Minister immer im Geruche des Demagogen 
gestanden. Das Land beweinte ihn aufrichtig und ehrte ihn späterhin durch 
ein Denkmal; an seinem Namen haftete fortan die Erinnerung der glück— 
lichsten Zeiten des badischen Landtagslebens, obgleich er den Häuptlingen 
des Liberalismus so scharf entgegengetreten war. Staatsrat Nebenius, 
der jetzt das erledigte Amt übernahm, hatte bei allen Reformen der jüng— 
sten Jahre tätig und sachkundig mitgewirkt. Aber zu regieren verstand 
er nicht. Dem Volke blieb der stille, geistvolle Gelehrte fremd, und gegen 
Blittersdorffs brennenden Ehrgeiz konnte der Schüchterne mit seiner nach— 
giebigen Milde wenig ausrichten. Er war der Verfasser der neuen Dienst— 
pragmatik, die den Beamten eine sehr wenig, unleugbar allzu wenig be— 
schränkte Selbständigkeit einräumte. Der hochfahrende Diplomat aber 
sah, wie Metternich, in dieser Unabhängigkeit der Staatsdiener das schlimmste 
aller Übel; er nannte das Beamtentum ein totes Werkzeug, das man 
nach Belieben müsse zerbrechen oder wegwerfen können. Wie sollten diese 
beiden Männer sich vertragen? Man erzählte bald, der Jüngere habe 
schon ungeduldig ausgerufen: er oder ich! Blittersdorff fürchtete, die Libe- 
ralen würden sich Nebenius „zu einem zweiten Winter nachziehen“. Bei 
der gutmütigen Schwäche des Großherzogs durfte Blittersdorffs Tat- 
kraft wohl auf den Sieg rechnen; und dann wurde der evangelische Hof 
in das Fahrwasser der Klerikalen getrieben, dann mußten die kaum be- 
schwichtigten parlamentarischen Kämpfe heftiger denn zuvor sich erneuern. — 
In dieselben unheilvollen Bahnen begann jetzt auch Bayerns Politik 
einzulenken. Nirgends erschien der Umschwung der Stimmungen so auf- 
fällig. Der Landtag, der vor drei Jahren dem Könige Ludwig so viel 
Herzeleid bereitet hatte, benahm sich überaus gefügig und bescheiden, als 
er im Jahre 1834 wieder zusammentrat, er erwählte sich einen Minister 
zum Präsidenten, und kein Journalist wagte wieder, wie einst Wirth, die 
Abgeordneten aufzuwiegeln. So kränkenden Verhandlungen, wie sie der 
letzte Landtag über das königliche Einkommen geführt hatte, wollte sich der 
Monarch nimmer wieder aussetzen. Er verlangte vielmehr, daß ihm aus 
den Domänen ein selbständiges Krongut ausgeschieden würde, und erst als 
seine eigenen Minister dies für unmöglich erklärten, wollte er sich mit 
einer ständigen Zivilliste begnügen. Dieser Herzenswunsch ward ihm auch 
erfüllt. Unter brausenden Hochrufen bewilligten die Stände dem könig- 
lichen Hause für alle Zeiten ein Jahreseinkommen, das sich mit Einschluß 
der Apanagen auf etwa 3 Mill. fl., ein Zehntel der gesamten Staats- 
ausgaben belief. Keine andere deutsche Dynastie ward verhältnismäßig 
so reich ausgestattet, das preußische Königshaus begnügte sich mit einem
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.