Winters Tod. Blittersdorff. 631
dem volksbeliebten Minister des Innern kam Blittersdorff vorerst noch
nicht auf.
Da starb Winter plötzlich in der Kraft der Jahre (März 1837). Von
allen Diplomaten folgte allein der preußische Gesandte seinem Sarge; bei
den anderen Höfen hatte der Minister immer im Geruche des Demagogen
gestanden. Das Land beweinte ihn aufrichtig und ehrte ihn späterhin durch
ein Denkmal; an seinem Namen haftete fortan die Erinnerung der glück—
lichsten Zeiten des badischen Landtagslebens, obgleich er den Häuptlingen
des Liberalismus so scharf entgegengetreten war. Staatsrat Nebenius,
der jetzt das erledigte Amt übernahm, hatte bei allen Reformen der jüng—
sten Jahre tätig und sachkundig mitgewirkt. Aber zu regieren verstand
er nicht. Dem Volke blieb der stille, geistvolle Gelehrte fremd, und gegen
Blittersdorffs brennenden Ehrgeiz konnte der Schüchterne mit seiner nach—
giebigen Milde wenig ausrichten. Er war der Verfasser der neuen Dienst—
pragmatik, die den Beamten eine sehr wenig, unleugbar allzu wenig be—
schränkte Selbständigkeit einräumte. Der hochfahrende Diplomat aber
sah, wie Metternich, in dieser Unabhängigkeit der Staatsdiener das schlimmste
aller Übel; er nannte das Beamtentum ein totes Werkzeug, das man
nach Belieben müsse zerbrechen oder wegwerfen können. Wie sollten diese
beiden Männer sich vertragen? Man erzählte bald, der Jüngere habe
schon ungeduldig ausgerufen: er oder ich! Blittersdorff fürchtete, die Libe-
ralen würden sich Nebenius „zu einem zweiten Winter nachziehen“. Bei
der gutmütigen Schwäche des Großherzogs durfte Blittersdorffs Tat-
kraft wohl auf den Sieg rechnen; und dann wurde der evangelische Hof
in das Fahrwasser der Klerikalen getrieben, dann mußten die kaum be-
schwichtigten parlamentarischen Kämpfe heftiger denn zuvor sich erneuern. —
In dieselben unheilvollen Bahnen begann jetzt auch Bayerns Politik
einzulenken. Nirgends erschien der Umschwung der Stimmungen so auf-
fällig. Der Landtag, der vor drei Jahren dem Könige Ludwig so viel
Herzeleid bereitet hatte, benahm sich überaus gefügig und bescheiden, als
er im Jahre 1834 wieder zusammentrat, er erwählte sich einen Minister
zum Präsidenten, und kein Journalist wagte wieder, wie einst Wirth, die
Abgeordneten aufzuwiegeln. So kränkenden Verhandlungen, wie sie der
letzte Landtag über das königliche Einkommen geführt hatte, wollte sich der
Monarch nimmer wieder aussetzen. Er verlangte vielmehr, daß ihm aus
den Domänen ein selbständiges Krongut ausgeschieden würde, und erst als
seine eigenen Minister dies für unmöglich erklärten, wollte er sich mit
einer ständigen Zivilliste begnügen. Dieser Herzenswunsch ward ihm auch
erfüllt. Unter brausenden Hochrufen bewilligten die Stände dem könig-
lichen Hause für alle Zeiten ein Jahreseinkommen, das sich mit Einschluß
der Apanagen auf etwa 3 Mill. fl., ein Zehntel der gesamten Staats-
ausgaben belief. Keine andere deutsche Dynastie ward verhältnismäßig
so reich ausgestattet, das preußische Königshaus begnügte sich mit einem