Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

100 V. 2. Die Kriegsgefahr. 
in Preußen ganz gewissenhaft ausgeführt worden. Hier genügte ein 
Drittel des Heeres, um diesen wahrlich bescheidenen Anforderungen zu ent— 
sprechen. Der alte König hatte sich immer geweigert, einen bestimmten 
Teil seines Heeres als Bundeskontingent zu bezeichnen, weil er alle 
seine Truppen schlichtweg für deutsche Soldaten hielt. Jetzt wurden drei 
von den neun Armeekorps für die Bundesinspektion bestimmt, und die 
Manöver in Schlesien verliefen so gut, daß selbst Erzherzog Ferdinand, 
der nach österreichischem Brauche jedem Volksheere mißtraute, ehrlich 
eingestehen mußte: nun erst habe ich meine Zweifel an dem preußischen 
Landwehrsystem aufgegeben.“) Da die Zusammensetzung der preußischen 
Armeekorps, infolge des Landwehrsystems, von den Ziffern der Bundes- 
kriegsverfassung ein wenig abwich, so befahl der König überdies im März 
1843, daß fortan fünf seiner Armeekorps das Bundeskontingent bilden 
sollten, damit den Bundesgesetzen bis auf den letzten Buchstaben genügt 
würde. 
Das war der Zustand der deutschen Wehrkraft in einer Zeit, da 
die Liberalen der kleinen Landtage beständig über die unerschwinglichen 
Heereskosten klagen; und doch hatte diese Opposition nicht unrecht, denn 
die Ausgaben für ein solches Heer waren wirklich Verschwendung. Am 
letzten Ende bewirkten Friedrich Wilhelms wohlgemeinte Anträge nur, 
daß einige der ganz gewissenlosen kleinen Höfe sich fortan aus Furcht 
vor den Bundesinspektionen ein wenig in acht nahmen. Doch mit so 
sanften Mitteln war die dreißigköpfige Anarchie nicht zu heilen; und 
dies konnte der König, als warmer Verehrer der unwandelbaren Bundes- 
verfassung, nicht begreifen. 
Etwas besser gelangen seine Bemühungen für die Bundesfestungen. 
Während der letzten Jahre hatte Bayern seine Festung Germersheim 
ausgebaut; nur der unentbehrliche Brückenkopf auf dem badischen rechten 
Rheinufer fehlte noch, weil Baden sich hartnäckig weigerte, die kleine 
Landstrecke abzutreten. Über den Zustand von Mainz erstattete der öster- 
reichische Gouverneur Landgraf von Hessen-Homburg, sobald das Kriegs- 
geschrei durchs Land ging, einen Bericht, der so beschämende Vorwürfe 
enthielt, daß die Bundesversammlung beschloß, ihn nicht in ihre Protokolle 
aufzunehmen. An der Rheinkehle, der wichtigsten Stelle des Platzes war 
die Mauer fast spurlos verschwunden — so versicherte der Landgraf — 
allerhand Gewerbetreibende hatten dort ihre Lager und Werkstätten 
aufgerichtet, „der Hauptschlüssel zu den deutschen Landen ist an seiner Kehle 
ein vollkommen offener Ort.“ Das Weissenauer Lager und die wenigen 
anderen neuen Festungswerke gereichten ihren österreichischen Erbauern 
nicht zur Ehre; den größten Teil der Festungsgelder hatte man ver- 
wendet, um Kasernen zu bauen und für die Amtswohnungen der kom- 
  
*7) Maltzans Berichte, Okt. 1841.
	        
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