Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Der Posener Provinziallandtag. 147 
heit und Faulheit der Polen ein Rechtstitel, kraft dessen ihrer Sprache die 
Herrschaft gebührte, denn unter den Deutschen verstehe der dritte oder vierte 
Mann, unter den Juden fast jeder auch polnisch, während von je sechs 
Polen nur einer deutsch rede. Daß diese zweisprachige Provinz einem Staate 
von elf Millionen Deutschen angehörte, kam gar nicht in Betracht. Vor 
acht Jahren schon hatte der alte König eine Summe von 16 000 Talern 
für die Errichtung eines Posenschen Konvikts an der Landesuniversität 
Breslau bewilligt, Erzbischof Dunin aber dies bereits angenommene Ge— 
schenk wieder zurückgewiesen und trotzig verlangt, seine Theologen, die mit 
seltenen Ausnahmen aller gesellschaftlichen und gelehrten Bildung ent— 
behrten, müßten in Rom, München, Wien oder Prag studieren. Der Be— 
such deutscher Hochschulen ward grundsätzlich verworfen. Die von dem 
neuen Könige berufenen Professoren der slawischen Sprachen in Berlin und 
Breslau fanden kaum Zuhörer, selbst um die soeben vermehrten Stipen- 
dien für polnische Studenten bewarben sich nur wenige. Angesichts solcher 
Tatsachen forderten die Landstände eine theologisch-philosophische Fakultät 
für die Stadt Posen, ferner für die Provinz mehrere Gymnasien mit 
vorherrschend polnischem Unterrichte, endlich polnische Schulsprache in den 
Elementarschulen aller der Ortschaften, wo die polnische Bevölkerung 
überwöge; zugleich rügten sie, daß die deutsche Regierung zufrieden sei, 
wenn die deutschen Schüler ein leichtes polnisches Buch geläufig über- 
setzen könnten. 
Der Landtag scheute sich nicht, das so frech mißbrauchte Recht der 
Erwählung der Landräte als einen Schutz für das Großherzogtum zu- 
rückzufordern, damit die Provinz sich durch ihre eigenen Beamten gegen 
die deutsche Krone verteidigen könnte. Er verlangte Aufhebung der Di- 
strikts-Rommissäre, deren Verdienste um die bürgerliche Ordnung er doch 
selbst anerkennen mußte; er erklärte, das Aufkaufen überschuldeter polnischer 
Güter durch die Regierung hätte die Herzen der Polen mit Wehmut er- 
füllt, und bat die Krone, sie möchte den Warschauischen Offizieren, welche 
an dem letzten Aufstande teilgenommen, ihre Pensionen wieder auszahlen. 
Allen diesen Anträgen der Ritterschaft schlossen sich die Vertreter der 
deutschen Städte und Dörfer „aus Rücksichten der Billigkeit“ an; so kräftig 
verstand der polnische Adel alle Künste der Einschüchterung anzuwenden, 
und so wirksam unterstützten ihn die deutschen liberalen Zeitungen, die 
noch immer ohne Sinn für die nationalen Machtkämpfe der Ostmark, jede 
Opposition, auch die der Feinde Deutschlands grundsätzlich verherrlichten. 
Worauf die Polen ausgingen, das verriet sich deutlich, als der Ober- 
bürgermeister Naumann von Posen, auf Andringen seiner Bürgerschaft, 
die Berufung der preußischen Reichsstände befürwortete; da klang es lär- 
mend von allen Seiten: als Polen stimmen wir dagegen. Die Frage 
wegen des Steuererlasses beantworteten die Polen mit der Bitte: der 
König möge lieber jeder Provinz eine Summe jährlich zu freier Ver- 
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