Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Glanz des Hofes. Die Pickelhauben. 213 
wohl meinte er sich berechtigt, das preußische Beamtentum wie eine Aus- 
geburt der Hölle zu behandeln. Ein vielbelachtes Zerrbild stellte den 
König dar, wie er die Zeitungen mit Füßen trat und dazu rief: ich liebe 
eine gesinnungsvolle Opposition! Was wollte der preußische Hof gegen 
alle diese Freibeuter ausrichten? Er fühlte sich gänzlich waffenlos; auch 
seine Zensoren daheim konnten schließlich nicht mehr unterdrücken, was in 
der Luft lag. Der alte Preßzwang ward unhaltbar. Im Septbr. 1847 
sang ihm Minister Bodelschwingh selbst das Totenlied und gestand: „Die 
Zensur ist altersschwach, sie hat ausgedient;“ es fragt sich nur noch, 
wie sie zu ersetzen sei.) 
  
Die neue Zeit, die so oft verkündigte, zeigte sich einem jeden 
handgreiflich in der geschmackvollen Pracht des neuen Hofes. Der König 
liebte in reichen, vier= oder sechsspännigen Wagen daherzufahren; er gab 
der Hofdienerschaft schöne silberne, mit schwarzen Adlern gestickte Kragen 
an ihre Uniformen, den Pagen wieder die malerische rote Tracht aus den 
Zeiten Friedrichs I., den Marschällen der Landstände Marschallsstäbe, den 
Professoren der Universitäten würdige Talare; die Ritter vom schwarzen 
Adler ließ er im Kapitel wieder die roten Ordensmäntel anlegen und 
die Richter des Rheinlandes wollte er nicht anders als in der feierlichen 
Robe der französischen Magistratur vor sich sehen. Das alles war ihm 
mehr als Form; er hielt sich verpflichtet, das Königtum von Gottes Gna- 
den sowie alle seine Diener wieder in standesmäßigem Glanze auftreten 
zu lassen. Als ihm General Thile einmal vorstellte, die Einfachheit der 
preußischen Monarchen, namentlich Friedrich Wilhelms III. hätte allge- 
meine Ehrfurcht erweckt, die neuen glänzenden Formen würden vom Volke 
nicht verstanden, ja vielleicht für theatralisch gehalten werden, da dankte 
er dem treuen Freunde für seine Offenheit und erklärte: „Dennoch können 
offenbare Irrtümer mich in meinen Ansichten nicht wankend machen. 
Gewiß ist's, daß viel, sehr, sehr viel Anstand verloren gegangen ist. Das 
ist, weit entfernt mich zu veranlassen so fortzufahren, die Ursach, warum 
ich den Anstand und als solchen Zeichen verliehener Würden wieder ein- 
führe. Darum die Amtstracht des Magnifikus und der Professoren, 
darum die Amtstracht der Richter, darum den Marschällen Marschalls- 
stäbe. Bei der Landtags-Eröffnung werde ich mir, wie bei der Huldigung, 
die Reichs-Insignien vortragen lassen. Juum cuique“ 
Den breiten Massen dieses kriegerischen Volkes kam der Wandel der 
Zeiten erst ganz zum Bewußtsein, als in den Jahren 1842 und 43 das Heer 
  
*) Bodelschwingh, Denkschrift über die Presse, Sept. 1847. 
*“) Thile an König Friedrich Wilhelm, 18. März 1847, mit Randbemerkung.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.