302 V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
dröhnend auf die Marmorstufen stemmte, mit dem Ausrufe: Und so setze
ich denn meinen Hirtenstab auf den ewigen Urfelsen, der da ist Christus
— da meinten viele der anwesenden Protestanten, das klänge mehr evan—
gelisch-christlich als römisch. Er war tief gläubig, ganz durchglüht von
religiöser Empfindung, und dabei ein guter Preuße, der trotz seiner ge—
mütlichen Anhänglichkeit an das Bayerland den alten königlichen Offizier
nie verleugnete und seine Staatstreue auch in schwerer Zeit furchtlos
bewährte. Die Branntweinpest unter den oberschlesischen Polen bekämpfte
er nicht bloß durch Enthaltsamkeitsvereine, sondern durch das allein wirk—
same Mittel, durch gesundes Bier, das er von herbeigerufenen bayrischen
Brauern herstellen ließ; und als die Hungersnot im Gebirge ausbrach,
da waren seine barmherzigen Brüder überall zur Stelle. Nach der Kon—
fession wurde bei solchen Liebeswerken nie gefragt. Begreiflich, daß der
König ihn liebte. Wenn er nach Erdmannsdorf kam, bat er den Fürst—
bischof stets zu Gaste in den engsten Familienkreis, und obwohl Friedrich
Wilhelm dem Protestantismus nie untreu werden wollte, so fiel es doch
allgemein auf, daß er keinem evangelischen Geistlichen je so viel Ver—
ehrung erwies wie diesem katholischen Prälaten.
Die Niederlage der Krone in dem Kirchenstreite erregte unter den
Protestanten nicht so allgemeinen Zorn, wie Friedrich Wilhelm selbst ge—
fürchtet hatte. Die Staatsgesinnung war noch wenig durchgebildet, das
Schlagwort der Kirchenfreiheit übte noch seinen berückenden Zauber; die
Liberalen schalten wenig, weil ihre Lieblinge, die Rheinländer zufrieden
waren und die Sonne ja noch immer im Westen aufging; dem jungen
Radikalismus endlich schienen alle kirchlichen Fragen lächerlich. Indes
fehlte es nicht ganz an warnenden Stimmen. Der treue Arndt, der am
Rhein längst heimisch geworden und dort seinen anerzogenen schwedisch—
lutherischen Vorurteilen entwachsen war, sagte doch jetzt in seinem Auf—
satze „Ein paar deutsche Notabene“ rund heraus: „Die Jesuiten sind
wieder da, und sie werden, wie immer, deutsche Liebe und deutsche Treue
zerhadern und zersplittern!“ Als Graf Anton Stolberg im Mai 1844
die westpreußischen Domänen bereist hatte, gestand er dem Monarchen
ehrlich: die katholischen Polen träten hier überall höchst übermütig auf
und sagten laut: heute muß man katholisch sein, um bei Hofe etwas zu
gelten.“) Auch König Wilhelm von Württemberg zeigte sich besorgt; er
erwog mit dem preußischen Gesandten Rochow oftmals die Frage, ob die
protestantischen Fürsten Deutschlands nicht unter Preußens Führung zu—
sammentreten sollten zur gemeinsamen Wahrung der Rechte ihrer Kirchen—
hoheit.
In der Tat hatte die ultramontane Partei schon fast alles erreicht,
was ein paritätischer Staat irgend gewähren konnte. Einer ihrer Hitz-
*) Stolbergs Bericht an den König, 16. Mai 1844.