344 V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
war, und bemächtigte sich sofort der Leipziger Deutschkatholiken; vor
Freunden gestand er aufrichtig, diese kirchlichen Wirren dienten ihm nur
zum Mittel für seine politischen Zwecke. Auf dem Leipziger Konzil hielt
er, hinter einem verhängten Tische stehend, zündende Reden. Kam eine
schwierige kanonische Frage vor, dann langte ihm der Historiker Wuttke,
ein giftiger kleiner radikaler Molch, der nebenan hinter einem Haufen
Bücher saß, unter dem Tischtuch einen Zettel herüber; ein Blick darauf
genügte, und der Kirchenstifter sprach alsbald mit bewunderungswürdiger
Geläufigkeit über das tridentinische Konzil, dessen Dasein er vordem wohl
kaum gekannt hatte.
Inzwischen ward die Regierung besorgt, da die freien Gemeinden
Preußens ihre Sendboten nach Sachsen schickten und sich mit den Deutsch-
katholiken verbrüderten. Am 17. Juni 1845 erklärten die mit der Wahrung
des lutherischen Kirchenregiments beauftragten Minister, daß sie, eingedenk
ihres Eides, Versammlungen oder Vereine, welche das Augsburgische Be-
kenntnis in Frage stellten, nicht dulden könnten. Der Erlaß war schwer-
lich bös gemeint, aber höchst ungeschickt, wie fast alles, was von Könneritz
und dem neuen Minister des Innern Falkenstein ausging; verstand man
ihn buchstäblich, so schien er in der Tat die Gewissensfreiheit zu be-
schränken, den Austritt aus der lutherischen Landeskirche zu verbieten.
Ganz deutlich sagte er aber, daß die sächsische Regierung, wie die preu-
ßische, mit dem alten Rationalismus brechen wollte. Und diese behag-
liche, bis zur Gleichgültigkeit duldsame Aufklärung herrschte im Volke, zu-
mal in den Städten noch überall vor; ihr gefeierter Vertreter, der greise
Ammon war noch immer Oberhofprediger. Darum erregte die Bekannt-
machung der Minister allgemeinen Unwillen, und wieder schob man alle
Schuld auf den gänzlich unbeteiligten Prinzen Johann.
Die Gemüter waren erhitzt, die Behörden hatten schon mehrfache
Warnungen erhalten; da kam der Prinz am 12. August nach Leipzig, um
die Kommunalgarde zu mustern. Schon während der Truppenschau er-
laubten sich die Zuschauer manche Frechheit; und als der Prinz nachher
spät abends mit den Spitzen der Behörden bei Tafel saß, im Garten-
hause des Preußischen Hofs am Roßplatze, da sammelte sich eine tobende
Volksmasse auf dem weiten Platze. Die Menge sang „Eine feste Burg ist
unser Gott“; dann ertönten Hochrufe auf Ronge und Czerski, wilde Lieder,
Flüche und Schimpfreden, ein Hagel von Steinen schlug an die Fenster
des Gasthofs. Niemand von den Behörden fand den Mut, dem Haufen
mit einer kräftigen Ansprache entgegenzutreten. Erst als der Unfug sich be-
drohlich steigerte, sendete man nach der Wachtmannschaft der Kommunal-=
garde. Gleich darauf ließ der Stadtkommandant Oberst v. Buttlar, ein
sehr tüchtiger Offizier, auf Verlangen der Zivilbehörde ein Bataillon seiner
Truppen herbeirufen; die noch von den Dresdener Straßenkämpfen her
beim Pöbel verhaßten schwarzen Schützen waren früher zur Stelle als