Kirchenverfassungspläne des Königs. 361
nicht ganz verleugnete. Nach wenigen Jahren blieb von den Lichtfreunden
nichts übrig als ein Häuflein von kleinen deistischen oder atheistischen
Vereinen, die für das religiöse Leben der Nation nicht das geringste
leisteten. Also bereiteten diese Dissidenten, ganz wie die Deutschkatholiken,
zuletzt nur ihren unbedingten Gegnern einen Triumph. Hengstenberg schien
recht zu behalten, wenn er voraussagte, daß jeder Abfall vom strengen
Bekenntnis notwendig zur Anarchie führe. Wer freier und milder ur-
teilte, wie der tief fromme Bethmann-Hollweg, mußte freilich zugestehen,
daß auch der König und sein Kirchenregiment an diesem Jammer eine
Mitschuld trugen. Mit etwas mehr Weisheit und christlicher Geduld
hätte man „den armen, unglücklichen uhlich“ so wie viele andere seiner
gleich redlichen Gesinnungsgenossen wohl in der Landeskirche festhalten
und also vielkeicht vor radikalen Verirrungen bewahren können. —
Wer „die rechten Hände“ waren, denen der König dereinst seine
Kirchengewalt anvertrauen wollte, das wußten seine Vertrauten längst.
Schon vor seiner Thronbesteigung hatte er in einem ausführlichen Briefe
an Bunsen dargestellt, wie Preußens evangelische Kirche sich aus sich
selbst heraus, nach dem Vorbilde der christlichen Urkirche, neu gestalten
sollte. Er wollte Bischöfe, die nach altchristlichem Brauche sich unmittel-
bar an der Seelsorge beteiligten, mithin bescheidene kleine Bistümer,
„Kirchen“, etwa so groß wie die bestehenden Sprengel der Superinten-
denten, für ganz Preußen ungefähr 350. Die Bischöfe sollten allesamt
durch Handauflegung eine ganz unanfechtbare apostolische Weihe emp-
fangen, die ersten also durch englische oder schwedische Bischöfe eingesegnet
werden und dann den empfangenen Segen weiter spenden; von dieser katho-
lischen Vorstellung kam Friedrich Wilhelm nicht los, und schlechterdings
nicht wollte er zugestehen, daß sie den Grundgedanken des Protestantismus
widersprach. Darunter Presbyterien von Pfarrern und Laien, die aber
auch Kirchendiener, nicht Repräsentanten sein sollten; dann noch altar-
dienende, armenpflegende Diakonen, zu unterst die Gemeinden der Gläu-
bigen, der am Wort und Sakrament wirklich Teilnehmenden. Über den
Bischöfen etwa dreizehn Metropolitane in den althistorischen Bischofssitzen
des evangelischen Preußens, mit Kapiteln, denen die Befugnisse der bis-
herigen Konsistorien übertragen würden. An höchster Stelle endlich der
Fürst Erzbischof von Magdeburg, der Primas Germaniens, mit einem
Primatialkapitel, das an die Stelle des Kultusministers treten sollte.
Dem Monarchen verbliebe dann nur noch die äußere Schirmherrschaft
und das Recht, die Beschlüsse der großen Landessynoden zu bestätigen.
Die Unausführbarkeit dieses Planes sprang in die Augen; Friedrich
Wilhelm selbst rechnete ihn zu seinen zahlreichen Sommernachtsträumen.