Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Engels. Marx. Heß. 517 
so weit, daß er Religion, Staat, Recht, jede göttliche und menschliche Ord— 
nung verwarf. Zu Anfang 1848 entwarfen die beiden Freunde gemein— 
sam das Manifest der kommunistischen Partei, das den Umsturz der Ge— 
sellschaft, Enteignung der Grundeigentümer, Abschaffung des Erbrechts 
forderte und rundweg aussprach: wir unterstützen jede revolutionäre Be— 
wegung! Das Kernwort lautete: „Proletarier aller Länder, vereinigt 
euch!“ Das Programm des internationalen Umsturzes war aufgestellt, 
und seine Urheber waren zwei vaterlandslose Deutsche. 
Die deutsche gelehrte Welt wurde auf diese Bewegung zuerst aufmerk— 
sam, als der Schleswigholsteiner Lorenz Stein (1842) sein gedankenreiches 
historisch-kritisches Werk über den Sozialismus und Kommunismus er— 
scheinen ließ. Der große Haufe der Leserwelt wußte freilich mit dem schwer— 
fälligen, scholastisch gehaltenen Buche nichts anzufangen. Er verlangte nach 
leichterer Kost und er fand sie in dem Gesellschaftsspiegel, den der aus 
Paris entwichene rheinische Jude Moses Heß eine Zeitlang in dem frommen 
Wuppertale erscheinen ließ. Dies „Organ für Vertretung der besitzlosen 
Volksklassen“ fand „die einzige Ursache unserer gesamten Leiden in der 
freien Konkurrenz“ und brachte neben törichten radikalen Brandreden auch 
manche nur allzu wahre Schilderung aus dem Fabrikleben der westlichen 
Provinzen. Ahnlich redete O. Lüning in seinem Westfälischen Dampfboot 
und Karl Grün, der aus Baden Vertriebene, in der Trierschen Zeitung. 
Überall in den Heimatlanden von Marx und Engels wurden die Ge- 
danken der sozialen Revolution umhergetragen; in Köln besaß die Partei 
allem Anschein nach eine geheime Presse. Die Zensoren aber erwiesen den 
Organen des westdeutschen Sozialismus mehr Nachsicht als den Blättern 
der politischen Opposition; sie ahnten nicht, was der kleine Mann bei den 
leicht verhüllten Anpreisungen der Gütergemeinschaft empfand. 
Selbst in dem reichen rheinischen Bürgertum, das im Volke noch 
immer der kölnische Klüngel hieß, bekundete sich zuweilen eine schwächliche, 
freilich nur theoretische Vorliebe für den sozialen Radikalismus. Als in Köln 
ein Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen, nach dem Muster Berlins, 
gebildet werden sollte, da erklärte Assessor Jung, der Mitarbeiter der unter- 
gegangenen Rheinischen Zeitung: dieser Name ist beleidigend, denn wir 
alle sind Arbeiter — eine Behauptung, die aus dem Munde des ver- 
wöhnten Lebemanns allerdings seltsam klang. Er verlangte den Namen: 
Allgemeiner Hilfs= und Bildungsverein; bei der Verhandlung darüber 
wurden die Schlagwörter der kommunistischen Zeitschriften so häufig wieder- 
holt, daß Ludolf Camphausen und einige andere gemäßigte Liberale sofort 
zurücktraten. In Berlin, in Hamburg, Kiel, Magdeburg entstanden Ar- 
beitervereine, in denen das Selbstgefühl des jungen vierten Standes kräftig 
redete; daneben wirkten überall in den größeren Städten tiefgeheime Ver- 
eine, wo man kommunistische Schriften vorlas, überall kleine Meister 
und Gesellen, die sich den Vertrauten als Sendboten der Pariser Marianne
	        
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