Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Siebenter Abschnitt. 
  
Polen und Schleswigholstein. 
Seit der Meerengen-Vertrag den Weltfrieden notdürftig hergestellt 
und zugleich alle die alten Allianzen gelockert hatte, blieb die diplomatische 
Welt mehrere Jahre hindurch fast unbeweglich. In den Kolonien betrieb 
England, in Innerasien Rußland unausgesetzt die alte Eroberungspolitik; 
in Europa aber suchten alle Mächte behutsam den Frieden zu wahren. 
Die einen lähmte die Ahnung der nahenden Revolution, die anderen die 
Angst vor den Kriegswirren, welche der Tod des alternden Bürgerkönigs 
heraufzuführen drohte. Wie unberechenbar die Zukunft dieser geraubten 
Krone war, das fühlten alle tief erschreckt, als der Herzog von Orleans 
im Juli 1842 aus dem Wagen stürzte und starb. Aufrichtig beweinten die 
Franzosen ihren Thronfolger. In seinem Testamente ermahnte er seinen 
Erben, allezeit ein Katholik, ein ergebener Sohn Frankreichs und der Re— 
volution zu bleiben, auch wenn er nie die Krone tragen sollte; und so als 
ein echter Vertreter des modernen militärisch-liberalen französischen Geistes 
hatte er sich selber immer gehalten. Eine Welt von ehrgeizigen Hoffnungen 
ging mit ihm zu Grabe, und Alfred de Musset sang: „doch eine Seite bleibt 
in der Geschichte leer, ein ganz Jahrhundert, ach, voll Ruhmes kommt 
nicht mehr!“ Nach heftigen parlamentarischen Kämpfen wurde die Regent- 
schaft für den Fall der Thronbesteigung des minderjährigen Grafen von 
Paris dem ältesten Oheim, dem Herzog von Nemours übertragen. Diesem 
Lieblingssohne Ludwig Philipps konnte niemand, wie dem Verstorbenen, 
kühne kriegerische Pläne zutrauen; das Volk aber liebte den ernsten, steifen, 
konservativen Prinzen wenig, und wer durfte hoffen, daß eine solche Re- 
gentschaft sich halten oder die nationalen Leidenschaften bändigen würde? 
Je dunkler also die Aussichten des Julikönigtums erschienen, um so 
ängstlicher vermieden die Mächte alles, was den Bestand dieser gebrech- 
lichen Dynastie irgend gefährden konnte. Darum wurde König Friedrich 
Wilhelm von den verbündeten Höfen nur mit leeren Worten unterstützt, 
als er das rechtswidrige Unternehmen des belgisch-französischen Zoll- 
vereins bekämpfte und schließlich vernichtete. Ebenso vereinsamt stand er
	        
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