566 V. 7. Polen und Schleswigholstein.
stians einziger Sohn Friedrich blieb kinderlos; auch die zweite Ehe des
Kronprinzen mußte, gleich der ersten, nach wenigen Jahren getrennt werden,
weil die Gemahlin die Roheit des Gatten nicht zu ertragen vermochte, und
er weigerte sich, zum dritten Male eine fürstliche Heirat zu wagen.) Außer
ihm lebte nur noch ein königlicher Prinz, der bejahrte kinderlose Bruder
Christians. Starb Kronprinz Friedrich dereinst, dann erlosch nach mensch-
lichem Ermessen die königliche Linie und der dänische Gesamtstaat barst
auseinander; denn in den Herzogtümern gebührte die Thronfolge nach
altem Landesrecht dem Mannesstamme, den Augustenburgern, in Däne-
mark nach dem Königsgesetze dem Weiberstamme. Wenn der König diese
Gefahr von seinem Reiche abwenden wollte, so mußte er die eine der
beiden erbberechtigten Linien zu freiwilligem Verzicht bewegen, und nach
den Überlieferungen seines Hauses wie nach allen Berechnungen der Staats-
klugheit konnte er eine solche Zumutung nur dem Weiberstamme stellen. Im
vergangenen Jahrhundert hatte der gesamte Norden, Rußland wie die drei
Kronen Skandinaviens, dem Hause Holstein-Oldenburg angehört;z jetzt
waren Schweden und Norwegen verloren, und es erschien wie ein dynasti-
scher Selbstmord, wenn ein oldenburgischer König auch noch versuchte, ein
dem Norden fremdes Fürstengeschlecht auf den dänischen Thron zu erheben.
Nächster Erbe aus dem Weiberstamme war — möglicherweise, aber
nicht gewiß, da die kognatische Erbfolge immer unsicherer bleibt als die
agnatische — des Königs Schwager, der Gemahl der Prinzessin Charlotte,
Landgraf Wilhelm und, nach dessen Ableben, sein Sohn, Landgraf Fried-
rich von Hessen, ein eitler, leerer junger Mensch, der, ernsten Männern
und ernsten Gesprächen abhold, seine Zeit in schalen Vergnügungen ver-
geudete und in Kopenhagen gar nichts galt. Uberdies war Landgraf
Friedrich auch rechtmäßiger Thronfolger in Hessen-Kassel, und wie konnte
ein dänischer König wünschen, die schwierigen Verhältnisse seines Gesamt-
staats durch eine Personal-Union mit Kurhessen noch mehr zu verwirren?
Bei dem sprichwörtlichen Geize des Hauses Brabant schien es leineswegs
unmöglich, den Hessen ihre noch nicht unzweifelhaften Erbansprüche mit
einem guten Stück Geldes abzukaufen und also alle Länder der dänischen
Monarchie unter dem Mannesstamme des Hauses Oldenburg zusammen-
zuhalten. Verschaffte man dem Landgrafen durch die Gnade der deutschen
Großmächte gar noch den Titel eines Königs von Hessen, die heiß ersehnte
Kattenkrone, dann war nahezu sicher, daß er auf Dänemark verzichtete,
während die Augustenburger wieder und wieder erklärt hatten, daß sie ihre
Ansprüche auf Schleswigholstein niemals aufgeben würden.)
So einfach lagen die Dinge, wenn der König unbefangen rechnete.
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*) Schoultz-Ascheradens Bericht, 10. Mai 1846.
**) Ich benutze hier u. a. eine Denkschrift des klugen und wohl unterrichteten Le-
gationsrats Grafen v. Bülow (Notizen für Kopenhagen, für General von Gerlach, Berlin,
Febr. 1848).