Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Laurids Skau. Allgreen Ussings Antrag. 571 
Landtag zu Viborg eine feierliche Verwahrung ein, die ihm gar nicht 
zustand. Der Streit währte lange, schließlich befahl der König, daß die 
schleswigschen Landstände, nur wenn sie des Deutschen nicht mächtig wären, 
dänisch reden dürften, aber die Jüten wurden für ihren verfassungs— 
widrigen übergriff belobt, die Schleswiger wegen ihrer gesetzmäßigen 
Abwehr scharf getadelt. Nach mehrfachen ähnlichen Häkeleien unterstand 
sich der Kopenhagener Bürgermeister Allgreen Ussing (Okt. 1844) auf 
dem seeländischen Landtage in Rotschild zu beantragen: der König möge 
die erbliche Unzertrennlichkeit des dänischen Staats öffentlich aussprechen 
und jeden Angriff dawider verbieten. Der Vorschlag wurde mit allen 
gegen eine Stimme angenommen; auch Minister Oersted, Dänemarks 
erster Jurist, äußerte sich im wesentlichen zustimmend, obwohl der An— 
trag offenbar weit über die Befugnis beratender Provinzialstände hin— 
ausschritt. Damit kündigten die Dänen dem alten Landesrechte Schles— 
wigholsteins offene Fehde an; der Beschluß war um so bedenklicher, da 
er von einem gemäßigten Gesamtstaatsmanne, nicht von einem eider— 
dänischen Demokraten ausging. 
Diese Übergriffe der Nachbarn weckten mit einem Male die schlum- 
mernde politische Kraft Schleswigholsteins, die selbst durch Lornsens 
Kühnheit nur leise erregt worden war. Wie ruhig hatte man hier in 
dem Lande der glücklichen Ehen bisher dahingelebt, jeder zufrieden im 
eng bezirkten Kreise des Amtes und der Familie, jeder dem anderen be- 
kannt, jeder noch im hohen Alter glücklich, wenn man ihm nachsagen 
konnte, daß er einstmals im Examen „den zweiten Charakter mit rühm- 
licher Auszeichnung“ erlangt hatte. Als aber das „up ewig ungedeelt“ 
der alten Freiheitsbriefe frech bedroht wurde, da fuhr es wie ein Wetter- 
schlag in diese stille Welt, und Deutschland erfuhr staunend, wie viel 
starke Leidenschaft, wie viel Stolz und Talent in dem tapferen Grenzvolke 
lebte. Früherhin hatten die Schleswigholsteiner die Erbfolgefrage, die ja 
noch ganz fernab zu liegen schien, wenig beachtet; selbst Dahlmann und 
Falck lebten lange des Glaubens, daß Schleswig der Thronfolgeordnung 
des Königsgesetzes unterliege. Jetzt begann man einzusehen, daß gerade 
die Verschiedenheit der Thronfolge das rechtliche Mittel darbot, um das 
Deutschtum vor dänischer Tyrannei zu bewahren. Ganz zur rechten 
Zeit (1841) gab Georg Beseler das nachgelassene Werk Lornsens über 
die Unionsverfassung heraus, und mächtig mußte die große Weise des 
unvergeßlichen Mannes jedes deutsche Herz ergreifen: er verlangte ein 
selbständiges, nur durch Personalunion mit Dänemark verbundenes 
Schleswigholstein und dann, sobald die königliche Linie ausstürbe, den Ein- 
tritt der befreiten Nordmark in den Deutschen Bund. Nachher ver- 
öffentlichte der junge Jurist K. Samwer eine gründliche Untersuchung 
über „das Staatserbfolgerecht der Herzogtümer Schleswigholstein“. 
Seitdem vereinigten sich alle Deutschen in der Meinung, daß allein
	        
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