Huldigung in Berlin. 51
unvergeßlichen Augenblicks hielt noch mehrere Tage hindurch an, bis zum
Ende der prächtigen, überaus geschmackvollen Festlichkeiten.
Was diese treuen Royalisten in Berlin erregte, war trotz der Ver-
schiedenheit der politischen Gesinnung im Grunde doch nur derselbe Drang
nach großen Worten und großen Empfindungen, der einst die Volks-
redner des Hambacher Festes beseelt hatte. Die lyrische Stimmung der
goldenen Tage unserer Dichtung war noch immer nicht verflogen. Die
Berliner wie vordem die Hambacher Festgenossen wollten, nach einer stillen,
allzu nüchternen Zeit, ihrem starken patriotischen Gefühle einmal Luft
machen. Wie die staatlosen Pfälzer sich nach einem Vaterlande irgendwo#
in den Wolken sehnten, so freuten sich die Preußen ihres glorreichen,
waffengewaltigen Staates. Und wie einst in Hambach die treuherzige
Begeisterung des deutschen Gemüts durch radikale Zuchtlosigkeit getrübt
wurde, so ward jetzt in Berlin durch die mächtige Aufwallung wahr-
haftiger Königstreue auch der ekle Bodensatz jener Bedientengesinnung
emporgewirbelt, welche selbst in edlen Monarchien niemals völlig fehlt
und bei Thronwechseln sich in ihrer ganzen Niedertracht zu zeigen pflegt.
Manche der Festredner und Huldigungsdichter wußten gar kein Maß zu
halten in ihren schmeichlerischen Lobsprüchen für einen König, dessen Taten
alle noch der Zukunft angehörten. Salbungsvolle Theologen priesen den
Chrysostomus auf dem Throne, und Ludwig Tieck sang gar:
Was sind Triumpheszüge
Der Cäsarn, aller der Imperatoren,
In römischer Tyrannenzeit geboren
Ja selbst des Heldenjünglings stolzer Siegeszug
Der bis zum fernen Ganges seine Waffen trug?
— Darf man sie wohl vergleichen
Mit unsers Fürsten Zug durch seine Gauen,
Wo Lieb' ihm und Vertrauen
In Feld und Wald und Stadt in allen Reichen
Entgegentrat, und Freudenträn' ihm glänzte,
Und stark und männlich groß er sich bekränzte,
Statt Lorbeer mit dem Laub der vaterländ'schen Eichen?
Das Buch „der Preußen Huldigungsfest“, worin der alte Geheimrat
Streckfuß die Festlichkeiten der beiden Hauptstädte und der Provinzen
schilderte, konnte von freien Männern nur mit gemischten Gefühlen be-
trachtet werden; es war der Untertänigkeit gar zu viel in allen diesen
Kundgebungen preußischer Treue, und der wackere Verfasser selbst verfiel
zuweilen in einen byzantinischen Ton, den sich unter dem nüchternen,
jeder Schmeichelei unzugänglichen alten Könige niemand erlaubt hatte.
Immerhin mußte jedermann beim Lesen dieser Festberichte empfin-
den, wie stark und volksbeliebt Preußens Krone dastand. Graf Maltzan
meldete aus Wien immer wieder, Metternich könne das Gefühl einer
Eifersucht, „welche eigentlich dem vergangenen Jahrhundert angehören
sollte“, nicht unterdrücken; vornehmlich beunruhigte den Staatskanzler die
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