Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Huldigung in Berlin. 51 
unvergeßlichen Augenblicks hielt noch mehrere Tage hindurch an, bis zum 
Ende der prächtigen, überaus geschmackvollen Festlichkeiten. 
Was diese treuen Royalisten in Berlin erregte, war trotz der Ver- 
schiedenheit der politischen Gesinnung im Grunde doch nur derselbe Drang 
nach großen Worten und großen Empfindungen, der einst die Volks- 
redner des Hambacher Festes beseelt hatte. Die lyrische Stimmung der 
goldenen Tage unserer Dichtung war noch immer nicht verflogen. Die 
Berliner wie vordem die Hambacher Festgenossen wollten, nach einer stillen, 
allzu nüchternen Zeit, ihrem starken patriotischen Gefühle einmal Luft 
machen. Wie die staatlosen Pfälzer sich nach einem Vaterlande irgendwo# 
in den Wolken sehnten, so freuten sich die Preußen ihres glorreichen, 
waffengewaltigen Staates. Und wie einst in Hambach die treuherzige 
Begeisterung des deutschen Gemüts durch radikale Zuchtlosigkeit getrübt 
wurde, so ward jetzt in Berlin durch die mächtige Aufwallung wahr- 
haftiger Königstreue auch der ekle Bodensatz jener Bedientengesinnung 
emporgewirbelt, welche selbst in edlen Monarchien niemals völlig fehlt 
und bei Thronwechseln sich in ihrer ganzen Niedertracht zu zeigen pflegt. 
Manche der Festredner und Huldigungsdichter wußten gar kein Maß zu 
halten in ihren schmeichlerischen Lobsprüchen für einen König, dessen Taten 
alle noch der Zukunft angehörten. Salbungsvolle Theologen priesen den 
Chrysostomus auf dem Throne, und Ludwig Tieck sang gar: 
Was sind Triumpheszüge 
Der Cäsarn, aller der Imperatoren, 
In römischer Tyrannenzeit geboren 
Ja selbst des Heldenjünglings stolzer Siegeszug 
Der bis zum fernen Ganges seine Waffen trug? 
— Darf man sie wohl vergleichen 
Mit unsers Fürsten Zug durch seine Gauen, 
Wo Lieb' ihm und Vertrauen 
In Feld und Wald und Stadt in allen Reichen 
Entgegentrat, und Freudenträn' ihm glänzte, 
Und stark und männlich groß er sich bekränzte, 
Statt Lorbeer mit dem Laub der vaterländ'schen Eichen? 
Das Buch „der Preußen Huldigungsfest“, worin der alte Geheimrat 
Streckfuß die Festlichkeiten der beiden Hauptstädte und der Provinzen 
schilderte, konnte von freien Männern nur mit gemischten Gefühlen be- 
trachtet werden; es war der Untertänigkeit gar zu viel in allen diesen 
Kundgebungen preußischer Treue, und der wackere Verfasser selbst verfiel 
zuweilen in einen byzantinischen Ton, den sich unter dem nüchternen, 
jeder Schmeichelei unzugänglichen alten Könige niemand erlaubt hatte. 
Immerhin mußte jedermann beim Lesen dieser Festberichte empfin- 
den, wie stark und volksbeliebt Preußens Krone dastand. Graf Maltzan 
meldete aus Wien immer wieder, Metternich könne das Gefühl einer 
Eifersucht, „welche eigentlich dem vergangenen Jahrhundert angehören 
sollte“, nicht unterdrücken; vornehmlich beunruhigte den Staatskanzler die 
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