764 XXXI. Das Märchen vom Flüchtling Heine.
so leicht nicht zu beseitigen. Am auffälligsten war dem Preußen, wie eifersüchtig man
den Supremat des Papstes gegenüber „der sogenannten Emanzipation der Bischöfe“ zu
behaupten suchte (Bericht v. 27. April 1841). Daß Droste so gleichmütig preisgegeben
wurde, hatte seinen Grund zum Teil in dem Amtswürden-Gefühle des Papstes, der sich
durch den Eigensinn des deutschen Freiherrn beleidigt fühlte.
Dem gegenüber erscheint die Nachgiebigkeit der Krone Preußen grenzenlos. Schon
bei der ersten Verhandlung (1. Sept. 1840) wurde die unglaubliche Zusage gegeben:
der König wolle, wenn man sich vertrüge, nur Männer, welche das Vertrauen des
Papstes besäßen, in die Katholische Abteilung berufen. So ging es fort, bis zu den ge-
ringsten Angelegenheiten herunter. Der König erbot sich von freien Stücken, Garni-
sonskirchen zur abwechselnden Benutzung für beide Konfessionen zu erbauen, in Berlin.
eine besonders schöne. Da dies dem Vatikan noch immer nicht genügte, so wurde endlich
die Michaeliskirche für die katholischen Soldaten allein errichtet.
Wenn man unbefangen betrachtet, wie die Krone Preußen dem Vatikan die Aus-
gleichung des Streites über die gemischten Ehen, die Aufhebung des Plazets, die Katho-
lische Abteilung, den freien Verkehr der Bischöfe und noch viele andere, bisher ganz un-
erhörte Zugeständnisse freiwillig entgegenbrachte und gleichwohl erst nach dreizehn Mo-
naten widerwärtiger Verhandlungen eine notdürftige Verständigung mit dem römischen
Stuhle erlangte — dann kann man nur mit der äußersten Verwunderung die zuversicht-
liche Behauptung A. v. Reumonts lesen: „Diesen guten Willen hat man römischer-
seits in vollem Maße an den Tag gelegt. Momentane Schwierigkeiten sind viel mehr
als von Rom von Berlin ausgegangen, wo man verschiedene Kombinationen ventilierte,
bevor man zu derjenigen kam, welche glücklicherweise angenommen wurde. Daß in Rom
allerlei Einflüsse sich geltend machten, vielleicht Intrigen gesponnen wurden, um dem
beiderseitigen Verständnis Hindernisse zu bereiten, darf nicht wunder nehmen. Aber
sie sind völlig untergeordneter Natur gewesen.“ Diese Versicherung schlägt den Tat-
sachen ins Gesicht. Wie ist sie zu begreifen? Ich finde nur zwei mögliche Erklärungen.
Entweder Reumont dachte selbst so fanatisch, daß ihm die unerschöpfliche Nachgiebigkeit
der Krone noch immer nicht genügte. Das glaube ich nicht; denn Reumont war, ob-
wohl streng klerikal gesinnt, doch auf seine Weise ein guter Preuße und namentlich ein
glühender Verehrer des königlichen Hauses. Oder Reumont hat von den Einzelheiten
dieser Verhandlungen viel weniger erfahren, als er in seiner bekanntlich sehr starken
Eitelkeit sich einbildete. Dies scheint mir die richtige Erklärung. In den sämtlichen
Papieren Brühls, auch in den Privatbriefen, wird Reumont nicht ein einziges Mal
genannt, während der Name des Residenten v. Buch häufig vorkommt Wenn Reu-
mont also, wie er angibt, „dem Grafen Brühl während seiner Mission beigegeben war",
so hat sich seine Tätigkeit wahrscheinlich auf formale Geschäfte beschränkt, wie dies auch
seiner damaligen bescheidenen Amtsstellung entsprach.
XXXI. Das Märchen vom lüchtling Heine.
Zu Bd. V. S. 379.
Der Götzendienst, welcher heute in vielen deutschen Zeitungen mit H. Heine ge-
trieben wird, hat weder mit der Wissenschaft, noch mit dem künstlerischen Gefühle irgend
etwas gemein; er ist einfach Geschäft. Leider lassen sich auch manche ernste Gelehrte
durch diese lärmende Betriebsamkeit einschüchtern; sie begnügen sich nicht, dem Dichter
den Künstlerruhm zu spenden, der ihm für einen Teil seiner Gedichte gebührt; sie
wagen auch, ihn, der in allem das Gegenteil eines Helden war, als einen politischen Mär-
tyrer darzustellen, und verleumden — ohne je einen Beweis auch nur zu versuchen