Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

768 XXXIII. Graf Christian Bernstorff und Schleswigholstein. 
„In diesem Patent wird meines Dafürhaltens, dem wesentlichen Inhalt nach gesagt 
werden müssen: Daß, nachdem durch die Losreißung eines großen Teiles der Stände vom 
Reiche und durch die Niederlegung der Kaiserkrone der Reichsverband aufgelöst und die 
Verfassung Deutschlands erloschen sei, auch das Band, welches Holstein bisher an das 
Reich gebunden habe, gelöst sei, und diese Provinz von allen Beziehungen und Ver- 
pflichtungen, welche sie bisher gegen das Reich gehabt, entbunden, dagegen aber auf das 
engste mit dem Staatskörper der der dänischen Königskrone unterworfenen Lande, von 
welchem selbige hinfort einen in allen Verhältnissen und Beziehungen völlig unge- 
trennten Teil ausmachen werde, vereinigt werde. 
Mich deucht, daß man nicht mehr, als durchaus nötig ist, weder in der bisherigen 
Verfassung ändern, noch in dem Patente sagen müsse. — Der Kronprinz wünscht noch 
immer das Königsgesetz ausdrücklich eingeführt und dadurch das Erbrecht an Holstein 
auch der weiblichen Deszendenz zugewandt zu sehen. Mir scheint solches nicht nur be- 
denklich, sondern auch in Beziehung auf den vorliegenden Zweck völlig überflüssig 
zu sein. 
Nachschrift. Was die Einführung des Königsgesetzes betrifft, so hat der Kronprinz 
seine Meinung darüber aufgegeben.“ 
Bernstorff stimmte mithin vollständig überein mit dem Herzog von Augustenburg, 
der sich im Staatsrate, am 3. Sept. 1806 also aussprach: 
„Nach allem bisher Angeführten bin ich also des untertänigen Dafürhaltens, daß 
Holstein nach jetzt aufgelöstem Reichsverbande zum souveränen Herzogtum erklärt werde, 
dessen politische Verhältnisse und Beziehungen mit denen der Krone Dänemark aufs 
genaueste vereinigt und folglich nur von letzterer abhängig wären, jedoch unbeschadet 
der in Holstein bestehenden Successionsordnung.“ 
Wenn dem Herzog demnach das Verdienst bleibt, daß er die Erbfolgerechte seines 
Hauses rechtzeitig wahrte, so war die Gefahr doch nicht groß, da der leitende Minister 
Dänemarks selbst auf seiner Seite stand. Das Patent erhielt nunmehr die von C. Bern- 
storff verlangte unverfängliche Fassung, und Joachim Bernstorff schrieb nachher (1. Nov. 
1806) dem schwedischen Gesandten Oxenstierna: 
Qu'on feroit tort à Sa Majesté en supposant du'en fixant les rapports futurs de 
Holstein avec le Dannemarc Elle ait voulu aller au dela de ce que des événemens im- 
prévus et indépendans de Sa volonté avaient rendu nécessalre. 
Demnach leuchtet ein, daß C. Bernstorff ganz schuldlos verleumdet worden ist. — 
Beiläufig hier noch ein Wort über eine andere augustenburgische Legende. In den 
Aufzeichnungen des Prinzen von Noer, deren Unzuverlässigkeit freilich von Freund und 
Feind anerkannt ist, wird S. 16 f. geschildert, wie sehr der Prinz im Jahre 1842 durch 
seine Ernennung zum Statthalter überrascht worden sei. An diese Überraschung kann 
ich nicht recht glauben. Daß die Augustenburger schon von langeher die Statthalter- 
würde für ihr Haus wünschten, versteht sich von selbst und ist auch durch verschiedene 
Aktenstücke längst erwiesen. Da der Herzog sich durch seine Opposition im Landtage 
unmöglich gemacht hatte, so war der Prinz v. Noer zur Zeit der einzige Kandidat des 
Hauses. Eine harmlose Erzählung aus den Tagebüchern von Franz Hegewisch beleuchtet 
den Sachverhalt genauer. Hegewisch reiste im März 1842 von Kiel nach Kopenhagen, 
um von König Christian die Genehmigung der Altona-Kieler Eisenbahn zu erbitten — 
ein Unternehmen, das schließlich nur durch eine kleine Kriegslist gelang (s. o. V. 500). 
Am Bord des Dampfers traf er den Prinzen v. Noer, mit dem er seit Jahren wohl be- 
kannt war. Unterwegs erzählte ihm der Prinz vertraulich, er denke den König um den 
erledigten Statthalterposten zu bitten. Da fuhr Hegewisch erschrocken zurück und sagte: 
„Dann bin ich verloren; wenn der König Ew. Durchlaucht zuerst empfangen hat, dann 
wird er verstimmt sein und meine Bitte um die Eisenbahn entweder gar nicht oder un- 
Knädig anhören.“ Der Prinz sah das ein und zeigte sich sehr liebenswürdig. Die beiden 
verabredeten, daß Hegewisch zuerst um eine Audienz bitten und der Prinz erst
	        
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