Object: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

  
Fritz Zadow, Der deutsche Kolonialbestand. 
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der Ansicht Stengels auch zwei wichtige Bestimmungen des Pachtvertrages, nämlich das Verbot 
der Weiterveräusserung an eine dritte Macht (Art. V,2) und der Ersatz an Aufwendungen bei Rück- 
gabe des Gebiets (Art. V, 1). Man wird also vielmehr in Anschluss an Jellinek den Pachtvertrag 
als einen neuen völkerrechtlichen Erwerbstitel derivativer Natur zu betrachten haben, der dem 
Erwerber die volle Staatsgewalt mit der Ausübung sämtlicher Hoheitsrechte während der Dauer 
der Pachtzeit sichert, während nach ihrem Ablauf das Heimfallsrecht des überlassenden Staates 
seine Wirksamkeit äussert.?®) 
b) Dierechtliche Natur der Schutzgewalt. 
Wenn auch das Wort „Schutzgewalt‘‘ als Übersetzung von Protektorat, und ebenso die Be- 
zeichnung „Schutzgebiet‘‘ mehr auf ein völkerrechtliches als auf ein staatsrechtliches Verhältnis 
hinzudeuten scheint, so darf man doch aus diesen Bezeichnungen nichts entnehmen wollen, was 
für die rechtliche Natur dessen, was sie zum Ausdruck bringen wollen, bedeutsam wäre; denn der 
diplomatische Sprachgebrauch, aus dem jene Ausdrücke in der ersten Zeit ihrer Anwendung stammen, 
ist keineswegs genau in der Auswahl von Bezeichnungen für feststehende rechtliche Begriffe, und ge- 
rade das Wort ‚„Protektorat‘ dient zur Bezeichnung aller möglichen Rechtsverhältnisse, die mıt dem 
völkerrechtlichen Begriffe gar nichts zu tun haben. Da man unter einem völkerrechtlichen Pro- 
tektorat die völkerrechtliche Verbindung zweier Staaten versteht, nämlich eines sogenannten 
„Oberstaats‘‘, der vollsouverän ist, mit einem ‚„Unterstaat‘‘, der in seiner Geschäftsfähigkeit be- 
schränkt oder gar geschäftsunfähig ist, so kommt ein solches Verhältnis für die deutschen Schutz- 
gebiete nicht in Frage, soweit sie vor der Besitzergreifung durch das Reich völkerrechtlich herrenlose 
Gebiete waren.) Wenn dagegen einzelne Gebiete, die jetzt Bestandteile der Schutzgebiete sınd, 
einer staatlichen Herrschaft unterworfen sind, so ist durch die mit dem betreffenden Staat abge- 
schlossenen Verträge kein Protektorat begründet worden; vielmehr hat das Reich durch diese Ver- 
träge die Souveränetät erworben. Ist also die völkerrechtliche Natur der Schutzgebiete begriff- 
lich unmöglich, so kann die ‚„Schutzgewalt“ nur staatsrechtlicher Natur sem. 
c) Der Inhalt der Schutzgewalt. 
Da die Schutzgewalt, welche die Regierung jetzt ausübt, sich in ihrem Wesen nicht von der 
in der Heimat betätigten Staatsgewalt unterscheidet, so ıst das staatsrechtliche Verhältnis, in dem 
die Schutzgebiete zum Reiche stehen, de Staatsgewalt, undes erhebt sich nunmehr die 
Frage: ist die Staatsgewalt des Reiches in den Schutzgebieten eine unbeschränkte, also Souveränetät 
oder eine irgendwie beschränkte Staatsgewalt? Laband?) erkennt z. B. die Souveränetät des 
Reiches keineswegs ganz bedingungslos an; er gibt zwar im Prinzip zu, dass die Gewalt des Reiches 
in den Schutzgebieten die Eigenschaft der Souveränetät habe, weil das Reich ein souveränes Staats- 
wesen sei und demnach ein Staat nicht gleichzeitig souverän und einer höheren Gewalt rechtlich 
unterworfen sein könne. Er unterscheidet aber dann im Hinblick auf die einzelnen Schutzgebiete: 
In Ostafrika, auf den Marshall-, Brown- und Providence-Inseln, auf Neu-Guinea, den Karo- 
linen, Palau, Marianen sei das Reich der alleınıge Träger aller Herrschaftsrechte; dagegen 
habe ın den übrigen Schutzgebieten das Reich die „Oberhoheit‘ übernommen, während den Häupt- 
lingen die „Unterhoheit“ ın Gestalt von „öffentlich-rechtlichen Herrschaftsrechten‘ zustehe. 
Träger der Hoheitsrechte über die Eingeborenen seien die Häuptlinge und das ihnen übergeordnete 
Reich. Diese Schutzgebiete sind also nach Laband ‚‚nicht souveräne Staaten“. 
Um zu einer Lösung der strittigen Frage zu gelangen, muss auf die Entstehungsgeschichte 
der ın Frage stehenden Verträge eingegangen werden. 
Das Reich erlangte die Souveränität ıı den Gebieten ohne Rücksicht auf die mit den Häupt- 
lıngen geschlossenen Veıträge, durch welshe ma ı ıhnen den Fortbestand vieler bisher von ihren 
ausgeübten personalen Rechte vertragsmässig zugestand. Haben sich in Kamerun, Toxo, Südwest- 
afrıka und Samoa die Häuptlinge Rechte der Gerichtsbarkeit über die Eingeborenen und finanzielle 
Rechte vorbehalten oezw. hat das Reich ihnen solche Vorbehalte gelassen, so ist das eben eine Folge 
  
  
  
  
  
  
  
#6) Die beste Darstellung der Geschichte und des Rechtscharakters des Erwerbs von Kiautschou gibt 
Hövermann (s. Literaturverzeichnis). | 
°7) Unverwendbar ist auch der von v. Hoffmann (Einführung in das Kolonialrecht, S. 3—10) aufgestellte, dem 
englischen Kolonialrecht nachgebildete Begriff des kolonialen Protektorats, Siehe darüber Sassen im Ver- 
waltungsarchiv Bd. 21, S. 190 ££. 
8) Staatsrecht II, S. 281 ff.
	        
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