Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.3. Das Staatsrecht der Freien und Hansestädte Hamburg, Lübeck, Bremen. (7)

4 Wolffson, Das Staatsrecht der freien und Hansestadt Hamburg. 81. 
Bürgerschaft gebracht werden durften, wie andererseits der Rath auch ihre Anträge — Nebenpropo— 
sitionen — der Bürgerschaft vorlegen mußte; endlich als beständige Vertreter der Bürgerschaft zu 
fungiren, und als solche „Sachen, die nicht von der Importanz, daß der gesammten Bürgerschaft 
Approbation dazu nöthig“, mit dem Senate abzumachen. Nur die Mitglieder der bürgerlichen 
Collegien und die Adjunkten waren zum Besuch der Versammlungen der Bürgerschaft verpflichtet. 
Die Bürgerschaft, welche vom Rath berufen wurde, verhandelte die ihr vorgelegten 
Propositionen in den fünf Kirchspielen und stimmte kirchspielweise ab, so daß nur das als Beschluß 
der Bürgerschaft galt, was in mindestens drei Kirchspielen durch Majorität beliebt war, eine Ein- 
richtung, die faktisch jede Initiative der Bürgerschaft ausschloß oder doch wenigstens sehr erschwerte, 
zumal vorhergehende Verabredungen über die Abstimmungen in der Bürgerschaft theilweise sogar 
strafrechtlich verboten waren. Konnte in anderer Weise eine Einigung zwischen Rath und Bürger- 
schaft nicht erzielt werden, so wurde die Entscheidung einer Deputation übertragen, die aus einer 
gleichen Anzahl von Mitgliedern beider Körperschaften bestand. 
Die Justiz wurde anfänglich ausschließlich vom Rath selbst verwaltet. Erst im Laufe der 
Zeit überließ er dieselbe in den Civilsachen von höherem Betrage und einen Theil der Strafrechts- 
pflege in erster Instanz Collegialgerichten, welche aus Rechtsgelehrten, die nicht dem Rath angehörten, 
und Schöffen bestanden, während er die Gerichtsbarkeit in Civilsachen kleineren Betrages, die Straf- 
gerichtsbarkeit in Polizeisachen und gegen Nichtbürger, sowie die ganze zweite Instanz durch seine 
Mitglieder handhaben ließ. 
Die Verwaltung wurde zum größeren Theil von Deputationen geführt, denen Mitglieder 
des Rathes präsidirten, und die im Uebrigen meistens aus von der Bürgerschaft auf eine Reihe 
von Jahren gewählten Bürgern bestanden. Zur Annahme aller Wahlen zu städtischen Aemtern 
einschließlich der Wahl in den Rath war jeder Bürger bei Strafe des Verlustes der Stadtwohnung 
verpflichtet. 
An der Verwaltung der Finanzen hatte der Rath keinen Antheil. Sie stand ausschließ- 
lich der Kammer, einem nur aus bürgerlichen, gleichfalls von der Bürgerschaft auf Zeit gewählten 
Mitgliedern bestehenden Collegium zu. Das jährliche Budget wurde von der Kammer unter Hinzu- 
ziehung eines Senators und eines Syndikus entworfen, von einer Revisions-Commission geprüft 
und dann dem Rath zur Genehmigung vorgelegt, ohne daß bei seiner Feststellung die Bürgerschaft 
oder die bürgerlichen Collegien mitwirkten. Ja, dasselbe wurde sogar bis zum Jahre 1832 absolut 
geheim gehalten. 
Die Bewohner des Landgebiets und anfänglich auch die der Vorstädte standen zu 
der Stadt im Unterthanenverhältniß. Sie waren nicht bloß vom Besuch der Bürgerschaft, sondern 
von jeder politischen Berechtigung ausgeschlossen. Ihre Angelegenheiten wurden von einzelnen 
Mitgliedern des Senates, in einzelnen Gebietstheilen früher von Mitgliedern des Oberalten-Colle- 
giums unter sehr beschränkter Mitwirkung einzelner Gemeindemitglieder verwaltet. Was den Zu- 
sammenhang der politischen Berechtigung mit dem Religionsbekenntniß bbetrifft, so durften 
ursprünglich nur die Angehörigen der evangelisch-lutherischen Confession die Bürgerschaft besuchen, 
oder in den Rath gewählt werden. Der Besuch der Bürgerschaft wurde den dazu gualificirten 
Katholiken, Reformirten und Mennoniten im Jahre 1814, das Recht, in den Rath gewählt zu 
werden, im Jahre 1819 eingeräumt. In die bürgerlichen Collegien konnten wegen des kirchlichen 
Charakters derselben auch nach dieser Zeit nur Lutheraner gewählt werden. Den Israeliten wurden 
erst im Jahre 1849 in Consequenz der deutsche Grundrechte die Erwerbung des Bürgerrechts und 
die Ausübung der damit zusammenhängenden politischen Rechte gestattet. 
Diese Verfassung blieb im Wesentlichen unangefochten, bis im Jahre 1848 in Folge der sich 
auch in Hamburg geltend machenden Volksbewegung eine aus allgemeinen Wahlen hervorgegangene 
constituirende Versammlung berufen wurde, um selbstständig und definitiv eine neue Verfassung zu 
beschließen, während die erbgesessene Bürgerschaft zur Beschlußnahme über die laufenden Geschäfte 
bestehen blieb. Die constituirende Versammlung entledigte sich ihrer Aufgabe, indem sie außer der 
Verfassung „des Freistaates Hamburg" die dazu gehörigen organischen Gesetze entwarf. S. die 
Verfassung des Freistaates Hamburg nebst den dazu gehörenden organischen Gesetzen. Heraus- 
gegeben unter der Aufsicht des Bureau's der constituirenden Versammlung. Hamburg 1849. — 
Rauch's parlamentarisches Taschenbuch. Fünfte Lieferung p. 209. 
Die sich selbst als eine demokratische bezeichnende Verfassung verlegte den Schwerpunkt in 
eine aus allgemeiner Wahl der gesammten Bevölkerung einschließlich der Bewohner des Landgebiets 
hervorgehende Bürgerschaft von dreihundert Mitgliedern mit zweijähriger Wahlperiode, in der sich 
im Gegensatz zu dem bis dahin geltenden Zustande alle Staatshoheit concentrirte und die demnach 
allein als Trägerin der gesetzgebenden Gewalt bezeichnet wurde. Dem aus neun, von der Bürger- 
schaft auf sechs Jahre gewählten Mitgliedern bestehenden Rath, dem die vollziehende Gewalt unter 
Aufsicht der Bürgerschaft übertragen war, sollte gegen die Beschlüsse der Bürgerschaft über Fragen
	        
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