Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.3. Das Staatsrecht der Freien und Hansestädte Hamburg, Lübeck, Bremen. (7)

6 Wolffson, Das Staatsrecht der freien und Hansestadt Hamburg. 5 1. 
der Ausschuß in der Bundestagssitzung vom 8. Juni 1855, den Senat zur Mittheilung der Ver- 
handlungen über die neue Verfassung aufzufordern. Nachdem aber die Bürgerschaft eine vom 
Senat vorgelegte Revision der Verfassung verworfen hatte und die ganze Angelegenheit dadurch 
zum Stillstand gekommen zu sein schien, beschloß der Bundestag am 21. Juni 1855, auch seiner- 
seits dieselbe einstweilen auf sich beruhen zu lassen. Jahrelange Versuche des Senats, sich mit der 
Bürgerschaft über die Verfassungsfrage zu verständigen, blieben ohne Erfolg, ebenso der Versuch 
des Senats, die Verfassungsrevision durch Cinzelreformen zu ersetzen. 
Erst im Jahre 1859 führte eine, innerhalb der erbgesessenen Bürgerschaft selbst her- 
vorgetretene Bewegung dazu, daß mit Ernst und Entschiedenheit wieder an die Verfassungs- 
arbeiten herangetreten wurde. — Am 11. August 1859 verständigten sich Senat und erb- 
gesessene Bürgerschaft dahin, daß zunächst die Abschnitte der Verfassung von 1850 über 
die Bürgerschaft, den Bürgerausschuß und die Gesetzgebung nebst Wahlgesetz und Ge- 
schäftsordnung mit vielfachen, auch den Monituren der oberwähnten Ausschuß-Note Rech- 
nung tragenden und namentlich Senat und Bürgerschaft hinsichtlich ihres Einflusses auf 
die Gesetzgebung wieder gleichstellenden Modifikationen in Kraft treten, demnach die Wahlen 
zur Bürgerschaft vorgenommen werden, daß ferner mit Konstituirung derselben die erbge- 
sessene Bürgerschaft und die bürgerlichen Collegien, letztere in ihrer Eigenschaft als poli- 
tische Körper aufhören, und der Senat und die neue Bürgerschaft die anderen Theile der 
Verfassung von 1860 nach Maaßgabe der Note des Verfassungs-Ausschusses der Bundes- 
versammlung vom 27. April 1852 revidiren sollten. — Etwaige nicht zu erledigende Mei- 
nungsverschiedenheiten zwischen Senat und der neuen Bürgerschaft über die Revision der 
Verfassung und die zu derselben gehörigen organischen Gesetze sollten auf Anrufen des 
einen oder anderen Theiles von der Bundesversammlung durch Vermittlung oder Ent- 
scheidung erledigt werden. 
Am 6. Dezember 1859 trat die neugewählte Bürgerschaft zusammen. Sie bestand 
aus 192 Mitgliedern, von denen 84 von den steuerpflichtigen Bürgern des gesammten 
Staates, 48 von und aus den städtischen und vorstädtischen Grundeigenthümern, deren 
Grundstücke einen, die hypothekarische Belastung um Spc. 3000 (ca. M. 4500) überstei- 
genden Werth haben, und 60 von den bürgerlichen Mitgliedern der Gerichte, Deputationen 
und sonstigen Collegien, namentlich auch des Sechsziger Collegiums, sowie von den Aelter- 
leuten der zünftigen Gewerbe gewählt waren. Die Einigung über die noch nicht festge- 
stellten Theile der Verfassung gelang ohne Dazwischenkunft des Bundestages und am 28. 
September 1860 wurde die Verfassung nebst den dazu gehörigen Gesetzen publicirt?). 
Einer Charakterisirung derselben wird es hier nicht weiter bedürfen, weil sie im Wesent- 
lichen mit der jetzt geltenden, mit der wir uns eingehender zu beschäftigen haben werden, 
übereinstimmt. Hervorzuheben ist nur, daß die bürgerlichen Mitglieder der Verwaltungs- 
Deputationen, denen das Recht der Wahl von Bürgerschafts-Mitgliedern zustand, zwar 
von der Bürgerschaft, aber aus einem, von der Deputation selbst entworfenen Wahlauf- 
satze von drei Personen für jede Vacanz gewählt wurden. Diese Bestimmung, sowie die 
Vertretung der Gerichte und Deputationen in der Bürgerschaft, die im Laufe der Zeit, 
namentlich auch durch die Aufhebung der Zünfte und des Sechszigercollegiums manche 
Modifikationen erfahren hatte, wurde sehr bald Gegenstand lebhafter Angriffe, die nach 
wenigen Jahren zu erneuerten Revisionsversuchen führten. Nach dem Scheitern mehrerer 
Versuche gelang eine Verständigung über die Revision erst in Veranlassung der Einfüh- 
rung der Reichsjustizgesetze, die mit der veränderten Organisation der Gerichte auch zur 
Beseitigung der ständigen Laienrichter aus der Mehrzahl derselben führte, wodurch es er- 
forderlich wurde, die Verfassungsbestimmungen über die Vertretung der Gerichte in der 
1) S. Sammlung der Verordnungen der freien Hanse-Stadt Hamburg für das Jahr 1860 
p. 79 ff. — Ein Abdruck dieser Verfassung findet sich in Zachariä die deutschen Verfassungsge- 
gesetze. 2. Fortsetzung p. 182 und in Rauch's parlamentarischem Taschenbuch, achte Lieferung p. 98. 
 
	        
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