86. Die Bürgerschaft. 17
Die Leitung und Beaufsichtigung der Wahlen liegt der aus Mitgliedern des Senats, des
Bürgerausschusses und der Steuer-Deputation bestehenden Centralwahlbehörde, so wie
den aus Steuerschätzungsbürgern und anderen Wahlberechtigten zusammengesetzten Bezirks-
und Abtheilungscommissionen ob. Für jede Wahlabtheilung werden Wählerlisten ent-
worfen und behufs etwaiger Einsprachen ausgelegt. Die nach Erledigung der Ein-
sprachen durch die Centralwahlcommission festgestellte Wählerliste bildet die Grundlage
für den Wahlakt. Für die Wahl jeder Kategorie wird ein einzelner Tag festgestellt,
und zwar erst für die allgemeinen, dann für die Grundeigenthümer-, und dann für die
Wahlen der Richter und Verwaltungsbehörden. Die Wahl geschieht schriftlich in
verdeckten, vor Einlegung in die Wahlurne abzustempelnden Zetteln, auf welche
jeder Wähler so viele Namen zu schreiben hat, als Personen in dem Wahlbezirk oder
Wahlkörper zu wählen sind. Die Wahl eines bereits Gewählten ist ungültig, bei
gleichzeitiger Wahl in zwei Bezirken steht zunächst dem Gewählten die Option frei. —
In derselben Weise, wie bei der halbschichtigen Erneuerung, werden die Einzelwahlen bei
Vacanzen, welche innerhalb der Wahlperiode eintreten, vollzogen. Die Wahl geschieht
in diesem Falle für den Zeitraum, für welchen der Ausgeschiedene gewählt war, und kann
durch Einverständniß von Senat und Bürgerschaft in den letzten sechs Monaten vor
theilweiser Erneuerung der Bürgerschaft bis zu dem Termin der allgemeinen Wahlen
verschoben werden. — Jeder in die Bürgerschaft Gewählte muß die Wahl annehmen.
Das Recht der Ablehnung haben nur frühere Mitglieder des Senats, die Geistlichen und
diejenigen, welche in der vorigen Wahlperiode sechs Jahre lang der Bürgerschaft angehört
haben. Ueber andere Gründe der Befreiung oder Entlassung entscheidet endgültig die
Bürgerschaft.
Die Mitglieder der Bürgerschaft erhalten weder Diäten, noch Ersatz irgend welcher,
mit dem Besuch der Sitzungen verbundener Auslagen. Die Verfassung erklärt es für
unzulässig, daß die Wähler dem Gewählten bindende Vorschriften ertheilen und Ver-
pflichtungen, welche der Letztere hinsichtlich seines Verhaltens in der Bürgerschaft den
Ersteren gegenüber übernahm, für ungültig. Für Aeußerungen oder Abstimmungen in
der Bürgerschaft kann kein Mitglied zur Verantwortung gezogen werden.
Die Geschäftsordnung der Bürgerschaft unterliegt seit Einführung der jetzigen
Verfassung der alleinigen Beschlußnahme der Bürgerschaft ohne Mitwirkung des Senates,
während früher dieselbe auf gesetzlicher Feststellung beruhte. Sie bleibt in Kraft, bis
sie von der Bürgerschaft abgeändert wird und bedarf demnach nach der Erneuerung der
Bürgerschaft keiner neuen Bestätigung. Indessen beruhen einige wesentliche Bestimmungen
der Geschäftsordnung auf verfassungsmäßigen Vorschriften, die in jener ihre weitere Er-
gänzung und Ausführung gefunden haben. Dahin gehören namentlich die Bestimmungen
über die Zusammenberufung der Bürgerschaft, Oeffentlichkeit der Sitzungen, Beschlußfähig-
keit der Bürgerschaft, die Behandlung der Anträge des Senats und einzelner Bürger-
schaftsmitglieder sowie der Interpellationen und Petitionen, die Rechte der bürgerschaft-
lichen Ausschüsse und die Zulässigkeit geheimer Abstimmungen.
Mit dem Erneuerungstermin, an dem das Mandat einer Hälfte der Bürgerschaft
erlischt, hört die Funktion der ganzen Bürgerschaft in ihrer bisherigen Zusammensetzung
auf. Innerhalb acht Tage nach diesem Termin hat der Senat die Bürgerschaft in ihrer
neuen Zusammensetzung zu berufen. Zu ihren einzelnen Sitzungen wird die Bürgerschaft
mittelst ihrer Kanzlei zusammenberufen auf Anordnung des Senats, auf Beschluß des
Bürgerausschusses, auf ihren eigenen Beschluß und auf Verlangen von wenigstens dreißig
Mitgliedern, wenn sie mehr als drei Monate lang nicht versammelt war. Die Zusammen-
berufung auf Anordnung des Senats findet abgesehen von der ersten Sitzung in praxi
nur in den Fällen Statt, für welche die Verfassung eine gleichzeitige oder gemeinschaftliche
Handbuch des Oeffentlichen Rechts. III. 2. III. 2