8 6. Die Gesetzgebung. 19
Dritteln der Mitglieder verneint wird, ohne weitere Berathung beseitigt werden. Jeder
selbstständige Antrag, der vom Senat oder von Bürgerschaftsmitgliedern ausgeht, bedarf
einer zweimaligen Berathung und Annahme, ehe er zum Beschluß erhoben wird ½),
wenn sich nicht schon bei der ersten Abstimmung mindestens zwei Drittel der abstim-
menden Mitglieder für denselben erklären oder wenn es sich nicht um einen Antrag
handelt, der bereits von der Bürgerschaft definitiv genehmigt und vom Senat mit Modi-
fikationen wieder vorgelegt ist. Die zweite Berathung darf nicht an demselben Tage,
wie die erste, Statt finden ). Die Abstimmung muß eine geheime sein, wenn mindestens
zehn Mitglieder, und eine namentliche, wenn mindestens 25 Mitglieder darauf an-
tragen. Der genügend unterstützte Antrag auf geheime Abstimmung schließt den Antrag
auf namentliche aus.
Ein von fünfzehn Mitgliedern unterstützter Antrag auf Auskunftsertheilung abseiten
des Senats wird dem Letzteren zunächst zur Kenntnißnahme mitgetheilt. Wird die Aus-
kunft nicht ertheilt, so wird mit dem darauf gerichteten Antrage wie mit andern selbst-
ständigen Anträgen eines Mitgliedes verfahren. Stimmt die Bürgerschaft dem Auskunfts-
ersuchen zu, so ist der Senat zur Auskunftsertheilung verpflichtet, wenn es sich nicht um
obschwebende Verhandlungen in Reichs= oder auswärtigen Angelegenheiten handelt, und
muß seine Auskunft oder die Gründe ihrer Verweigerung in der nächsten Sitzung mit-
theilen, wenn die Bürgerschaft das Ersuchen als dringlich bezeichnet.
Petitionen an die Bürgerschaft müssen durch Vermittlung eines Mitgliedes ein-
gereicht werden, und erklärt sich dieses Mitglied durch die Uebergabe mit dem Inhalt
derselben einverstanden, also auch disciplinarisch für den Inhalt verantwortlich. Den
wesentlichen Inhalt solcher Eingaben theilt der Präsident der Versammlung mit. Zur
Berathung gelangen dieselben aber nur, wenn in geschäftsordnungsmäßiger Weise ein
Antrag daran geknüpft wird.
Die Bürgerschaft kann die ihr vorliegenden Anträge zur Vorbereitung an Aus-
schüsse verweisen, die sich behufs Auskunftertheilung direkt an den Senat oder an den
Chef der betreffenden Verwaltungsbehörde wenden, aber auch von jedem Staatsangehörigen
Auskunft in demselben Umfange verlangen können, wie dieselbe öffentlichen Verwaltungs-
behörden zu ertheilen ist ). Doch dürfen Beamte über Angelegenheiten ihres Amtes
nur mit Genehmigung des ihnen vorgesetzten Senatsmitgliedes Auskunft geben, welche
1) Offenbar uncorrekt ist die Lassung des Art. 68 al. 3 der Vberfassung „Ein Antrag gilt
für angenommen, wenn derselbe bei beiden Abstimmungen die einfache Majorität erhalten hat.“
Vielmehr gilt der Antrag in der Fassung für angenommen, in der er bei der zweiten Abstimmung
die einfache Majorität erhalten hat, auch wenn er in erster Abstimmung in anderer Gestaltung an-
genommen war. — S. Bericht des Ausschusses betreffend Geschäftsordnung der Bürgerschaft. Febr.
1881 (N. 6 der Specialberichte) zu § 61.
2) Da die Verfassung nur von solchen Beschlüssen handelt, die auf Antrag des Senats er-
folgen oder seiner Zustimmung bedürfen, so gelten auch die oberwähnten Bestimmungen über zwei-
malige Lesung nicht für die Behandlung solcher Anträge, über welche die Bürgerschaft ohne Zu-
stimmung des Senats Beschluß fassen kann, also namentlich nicht über ihre innern Angelegenheiten
und solche, welche die Geschäftsbehandlung betreffen. — Doch soll auch über eine Abänderung der
Geschäftsordnung nach einer in dieser selbst enthaltenen Bestimmung nur nach zweimaliger Bera-
thung beschlossen werden, wenn nicht in der ersten schon zwei Drittheile der Abstimmenden sich
für dieselbe erklärt haben. — Andererseits gelten jene Bestimmungen für alle Anträge, die eines
übereinstimmenden Beschlusses von Senat und Bürgerschaft bedürfen, nicht bloß für Gegenstände
der Gesetzgebung, also auch z. B. für die Einsetzung einer Senats= und Bürgerschafts-Commission
zur Entwerfung eines Gesetzes.
3) Diese Bezeichnung findet ihre Erklärung in § 20 des Gesetzes betreffend das Verhältniß
der Verwaltung zur Rechtspflege vom 23. April 1879, Ges. S. p. 110. Danach haben Verwaltungsbe-
hörden das Recht, zur Feststellung der in ihren Geschäftskreis fallenden Thatsachen Vorladungen (und
zwar bei einer Strafe bis zu M. 30) zu erlassen. — Die speciell von der Feststellung des Thatbestandes
vor Erlaß von Strafverfügungen handelnden Bestimmungen des § 6 desselben Gesetzes eignen sich
weniger zu einer analogen Anwendung auf die Befugnisse der bürgerschaftlichen Ausschüsse.
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