22 Wolffson, Das Staatsrecht der freien und Hansestadt Hamburg. 8 7.
Deputation gekommen. Wohl aber sind mehrfach Vermittlungs-Deputationen nicht ohne
Erfolg eingesetzt worden.
III. Eine Veränderung der Verfassung kann nicht auf dem gewöhnlichen
Wege der Gesetzgebung beschlossen werden. Zu einer solchen bedarf es zunächst eines
übereinstimmenden Beschlusses von Senat und Bürgerschaft, für den sich die letztere in
einer Versammlung, in der mindestens drei Viertel aller Mitglieder anwesend sind, mit
mindestens drei Vierteln der Anwesenden erklärt hat, und der frühestens 21 Tage nach-
her von der Bürgerschaft in gleicher Anzahl und mit gleicher Majorität bestätigt ist.
Wenn weniger als drei Viertel der Anwesenden in erster oder zweiter Lesung zustimmen,
so ist der Antrag als abgelehnt zu betrachten, und würde demnach, wenn er erneuert wer-
den soll, das ganze Verfahren wieder von vorn anfangen müssen. Dagegen würde die
Anwesenheit einer geringeren Anzahl, als drei Viertel sämmtlicher Mitglieder bei der er-
sten oder zweiten Abstimmung nur zu einer Vertagung der Beschlußfassung Veranlassung
geben.
IV. Die durch übereinstimmenden Beschluß des Senats und der Bürgerschaft oder
durch Beschluß der Entscheidungs-Deputation zu Stande gekommenen Gesetze hat der Senat
innerhalb 14 Tagen zu publiciren. Diese Vorschrift wird nur auf Gesetze im engeren
Sinne — materielle Gesetze — angewandt, also auf solche Beschlüsse, welche allgemeine
Normen enthalten, nicht aber auf Beschlüsse über Maaßregeln, die, wiewohl sie eigentlich
dem Gebiet der Verwaltung angehören, der Genehmigung durch die Bürgerschaft bedür-
fen, also z. B. nicht auf das Budget, auf Bewilligung von Staatsanleihen, Ver-
äußerung von Staatsgut und Enteignung von Privateigenthum. Mit dem Tage der
Publikation im Amtsblatte — einem abgesonderten Theile des hamburgischen Correspon-
denten — treten die in demselben publicirten Gesetze und Verordnungen in Kraft, abge-
sehen von den Fällen, in denen eine beschleunigtere Publikation von Bekanntmachungen
des Senates oder der Polizeibehörde, z. B. mittelst Anschlags an den Straßenecken erfor-
derlich ist.
S. Verordnung vom 16. Jan. 1852., Sammlung hamb. Verordnungen p. 405. Die
Sammlung hamburgischer Verordnungen (früher von Klefecker, später von Lappenberg heraus-
gegeben) war ein Privatunternehmen. Eine amtliche Gesetzsammlung erscheint erst seit dem
Jahre 1866. Der Eintritt der Gesetzeskraft ist unabhängig von der Publikation in der Gesetz-
sammlung. Bis zum Jahre 1852 bestand überhaupt ein verfassungsmäßiges Erforderniß der
Publikation nicht, durch die Uebereinstimmung von Rath und Bürgerschaft traten die Gesetze
ohne Weiteres in Geltung. Selbst die früheren Verfassungsgesetze sind nicht publicirt worden und
der Senat hat besonderes Gewicht auf den Grundsatz gelegt, daß für die Geltung dessen, was
zwischen ihm und Erbgesessener Bürgerschaft beliebt worden, die Publikatrion nicht in Betracht
komme. Mit der Entwicklung des Staatsgedankens hat sich natürlich dennoch dieses Bedürfniß
geltend gemacht und sind in späterer Zeit alle wirklichen Gesetze auch regelmäßig publicirt worden.
§ 7. Der Bürgerausschuß'). Die Bürgerschaft wählt aus ihrer Mitte einen ständigen
Ausschuß unter dem Namen „Bürgerausschuß“, der in politischer Beziehung als
Nachfolger des früheren Oberalten-Collegiums zu betrachten ist und dessen Aufgabe darin
besteht, die Bürgerschaft in Bezug auf die Ausübung des ihr zustehenden Controlrechtes
und auf einzelne minder wichtige Beschlußfassungen zu vertreten. Der Bürgerausschuß
besteht aus zwanzig Mitgliedern, von denen nicht mehr als fünf Rechtsgelehrte
sein dürfen. Präsident und Sekretair der Bürgerschaft sind zugleich Präsident nnd Se-
kretair des Bürgerausschusses. Die Wahl der übrigen 19 Mitglieder wird so beschafft,
daß jedes an der Wahl Theil nehmende Mitglied der Bürgerschaft bei jedem Wahlgang
nur einen Namen aufschreibt, und derjenige, der mindestens ein Viertel der abgegebenen
Stimmen auf sich vereinigt, so weit das Erforderniß reicht, als gewählt gilt. Zweck
dieser Einrichtung ist, auch einer beträchtlichen Minorität thunlichst eine Vertretung
1) Verfassung; vierter Abschnitt.