69. Die Gemeinden. 81
dem Stande der Arbeitgeber, zum Theil aus dem Stande der Arbeitnehmer durch Wahl
hervorgehen.
Die ständigen Mitglieder des Landgerichts und der Amtsgerichte bilden „das Richter-
collegium". Dasselbe wählt aus seiner Mitte den Präsidenten und die Directoren des
Landgerichts unter Vorbehalt der Genehmigung der Wahl und der Ernennung des Er-
wehlten durch den Senat. Die durch das Gerichtsverfassungsgesetz der Landesjustizver-
waltung überwiesenen Geschäfte werden von dem Senate wahrgenommen. Dabei steht in-
des der „Justizverlvaltungs-Commission“ eine gesetzlich geregelte Mitwirkung zu. Dieselbe
besteht aus 3 Mitgliedern des Senates und 3 Richtern; jene werden vom Senate, diese
vom Richtercollegium auf Zeit erwählt. Die Besetzung erledigter Richterstellen erfolgt
durch Wahl: sie wird von einem neunköpfigen Wahlcollegium vorgenommen, das für jeden
Einzelfall in der Weise neu bestellt wird, daß Senat, Bürgerschaft und Richtercollegium
je drei Mitglieder deputiren. Der Senat ernennt und beeidigt den Erwählten. Was die
juristischen Prüfungen angeht, so wird die erste zufolge Uebereinkommens mit der Kal.
preuß. Regierung und mit dem Kaiserl. Statthalter in Elsaß-Lothringen bei einer preu-
hischen Prüfungs-Commission oder bei der Prüfungs-Commission des Oberlandesgerichts
zu Colmar abgelegt, die zweite dagegen bei dem hanseatischen Oberlandesgericht vor einer
aus 3 Mitgliedern desselben zu bildenden Prüfungscommission. Für die letztere ist ein
von den 3 freien Städten festgesetztes Regulativ v. 1. Juli 1881 1) maßgebend.
§ 9. Die Gemeinden. I. In früherer Zeit war die Stadt die allein herrschende
Corporation, der die Bewohner des „Gebietes“ politisch völlig rechtlos gegenüberstanden.
Stadt und Staat waren identisch. Gegenwärtig ist die Stadt nach dem Buchstaben der
Verfassung) nur eine der Gemeinden, aus denen sich das Gebiet des Staates zusammen-
setzt. Aber sie überragt auch jetzt noch die andern Gemeinden dermaßen an Bedeutung,
daß sie trotz der begrifflichen Durchführung der Trennung auf vielen Gebieten practisch
noch immer mit dem Staate zusammenfällt. Die Organe des Staates sind zugleich Or-
gane der Stadtgemeinde (Altstadt, Neustadt und Vorstädte). Die verfassungsmäßige Thä-
tigkeit von Senat und Bürgerschaft erstreckt sich ebensowohl auf die rein communalen An-
gelegenheiten der Stadt, wie auf die staatlichen Dinge, mit der einzigen Modification, daß
die Bürgerschaft in rein städtischen Sachen als sog. Stadtbürgerschaft unter Ausschluß
derjenigen Mitglieder fungirt, welche von den Hafenstädten und dem Landgebiete deputirt
sind) oder welche persönlich nicht Angehörige der Stadtgemeinde sind ). Auch eine
Trennung des Vermögens und der Finanzverwaltung von Staat und Stadt ist bislang
nicht durchgeführt, obwohl die Verfassung *) die Vermischung als grundgesetzliches Postu-
lat ausdrücklich ablehnt und die Separation einem zukünftigen Beschlusse des Senats und
der Stadtbürgerschaft überläßt. Die Einkünfte aus dem städtischen Vermögen und aus
den städtischen Abgaben fließen in die Staatskasse, und diese bestreitet ebensowohl die
staatlichen wie die rein städtischen Bedürfnisse. Man geht von der Voraussetzung aus,
daß sich die speciell städ tischen Ausgaben mit den speciell städtischen Einnahmen im Durch-
schnitt begleichen.
Während solcher Gestalt die Loslösung der Stadt von dem Staate nur mangelhaft
durchgeführt ist), ist man in jüngster Zeit auf dem Wege der Emancipation des ehemals
1) G.Bl. p. 66.
2) 6 54. * "„
3) Classe 5—8 siehe oben Seite 73.
4) Verf. §§ 85, 86.
5) §§ 87—93.
6 5 Die practische Lösung dieses Problems wird auch wohl fernerhin an der Thatsache schei-
tern, daß für wirkliches staatliches Leben kaum Inhalt und Raum vorhanden ist. Eine große
Commune wird dadurch noch nicht zum Staate, daß neben ihrem engeren Gebiete noch einige Qua-
dratmeilen Landes zu ihr gehören, und daß sie in weiterem Umfange Autonomie besitzt, als andere
Handbuch desß Oeffentlichen Rechis. III. 2. 11I. 6