Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.2.3. Das Staatsrecht der Freien und Hansestädte Hamburg, Lübeck, Bremen. (7)

84 Sievers, Das Staatsrecht der freien Hansestadt Bremen. § 10. 
lichen Freizügigkeit!) verloren. Für die Gemeinden des Landgebietes ist eine gemeinsame 
Kirchenordnung vom Senate erlassen?); die übrigen Gemeinden haben sich selbst ihre ge- 
sonderten Verfassungen gegeben, die nach erlangter Bestätigung des Senats ins Leben ge- 
treten sind ). Die Organisation der Gemeinden weist hiernach im einzelnen ein verschie- 
denes Bild auf; überall sind indeß die Grundsätze der Presbyterial-Verfassung: freie 
Selbstverwaltung, rege Mitwirkung des Laienelementes, Wahlrecht für alle kirchlichen 
Aemter — durchgeführt. Unter sich stehen die bremischen Gemeinden in gar keiner ver- 
fassungsmäßigen Verbindung: ein Rechtszustand, der als ein kirchenrechtliches Unicum 
anzusehen sein dürfte ). 
Ohne das Mittelglied einer eigentlichen Kirchenbehörde steht den einzelnen Gemein- 
den der Senat gegenüber als Inhaber des jus episcopale und des jus circa sacra #). 
Eine scharfe Abgrenzung des Inhaltes und Umfanges dieser Rechte und eine Regelung 
der Machtbefugnisse der Gemeinden einerseits und des Senates als obersten Inhabers der 
Kirchengewalt andererseits ist weder durch die staatliche Gesetzgebung noch durch die Ge- 
meinde-Ordnungen gegeben. In zweifelhaften Fällen wird man auf das gemeine prote- 
stantische Kirchenrecht zurückgehen, indeß beachten müssen, daß seit der Reformation ein 
Hineinregieren der Obrigkeit in die inneren Gemeinde-Angelegenheiten kaum je vorgekommen 
ist. „Wy weten hier von nenen Dwank"“ sagt die Kirchenordnung von 1534. Nach 
festem Herkommen übt der Senat folgende Rechte aus, die zum Theil in den einzelnen 
Gemeinde-Ordnungen ihre ausdrückliche Sanction erhalten haben: er verleiht den Satzungen, 
durch welche die Gemeinden ihre Angelegenheiten im allgemeinen ordnen, durch seine Be- 
stätigung die Eigenschaft eines Rechtsgesetzes; er übt die Oberaufsicht über die Verwaltung 
des Kirchengutes und wacht über dessen bestimmungsmäßiger Verwendung; die Wahl der 
Pfarrer ist ihm zur Bestätigung und Vocation des Erwählten zu unterbreiten. Dazu 
kommt bei einzelnen Gemeinden noch die Bestätigung aller Beschlüsse der Gemeiude-Ver- 
sammlung; bei anderen gewisser wichtigerer Beschlüsse. 
II. Sowohl in Bremen, wie auch in Bremerhaven hat die römisch-katholische 
Kirche eine Gemeinde, welche ähnlich wie die evangelischen organisirt ist. Die Oberaufsicht 
über die Verwaltung des Kirchengutes übt der Senat ihnen gegenüber in gleicher Weise 
aus. In inner-kirchlicher Hinsicht sind dieselben dem Vicar der nordischen Mission (3. Z. 
der Bischof von Osnabrück) untergeordnet und mit „Missionaren“ besetzt. Bei ihrer Be- 
rufung weisen diese dem Senate ihre Legitimation nach und erhalten ein Resecript ihrer 
Anerkennung für das Amt „unter Voraussetzung des Gehorsams gegen den Senat und 
die Gesetze der freien Hansestadt Bremen."“ 
  
1) Obrigkeitliche Verordnung, den stadtbremischen Pfarrverband betr. v. 30. April 1860 
(G. Bl. S. 49). Es steht einem jeden frei, die durch den Wohnsitz begründete Gemeindeangehörig- 
keit aufzugeben und bei einer andern Gemeinde einzutreten. 
2) Obrigkeitliche Bekanntmachung, eine kirchliche Gemeindeordnung für die Landgemeinden 
betr., vom 7. Mai 1860 (G.Bl. S. 52). 
3) Für die Anwendung einer im Beginn der Reformationszeit (1534) zwischen den 4 alten 
städtischen Gemeinden vereinbarten und vom Rathe bestätigten gemeinsamen „bremischen Kirchen- 
ordnung“ ist damit der Boden weggefallen. 
4) Das „Ministerium“ umfaßt nicht die Gemeinden, sondern lediglich die reformirte Stadt- 
geistlichkeit, und seine Functionen sind in der Gegenwart auf die Verwaltung einiger gemeinsamer 
Vermögens-Angelegenheiten reducirt. — Ohne kirchenregimentliche Mitwirkung haben sich die evan- 
gelischen Gemeinden der Stadt 1876 vereinigt, zum Zwecke der Verständigung über gemeinsame 
Angelegenheiten ein ständiges, aus Geistlichen und Laien gemischtes Organ einzusetzen, welches den 
Namen „Bremische Kirchenvertretung“ führt. Die Gemeinden, welche der strengeren kirchlichen 
Richtung angehören, sind jedoch bereits 1882 von diesem Verbande wieder zurückgetreten, sodaß 
derselbe zur Zeit nur etwa die Hälfte der stadtbremischen Gemeinden umfaßt. Die Beschlüsse der 
Kirchenvertretung haben für die einzelnen Gemeinden nur die Bedeutung von Vorschlägen, die diese 
annehmen oder ablehnen können. 
5) Vergl. oben § 7 unter III. 
 
	        
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