84. Das Staatsoberhaupt. 103
gebung das Heerwesen geordnet hat, sind die Militärhoheitsrechte der Einzel staaten!)
ihrem Inhalte und Umfange nach aus dem R. St. R. zu entnehmen. Es ist nur hervor-
zuheben, daß Braunschweig eine, die Abtretung der aus der Kontingentsherrlichkeit fließen-
den Rechte enthaltende Militärconvention mit Preußen nicht geschlossen hat 2). Dann
ist § 191 zu erwähnen, welcher bestimmt, daß alle Gerichtsbarkeit vom Landesfürsten ausgehe.
In wie weit die Justizhoheit des Einzel staates einerseits auf das Reich übergegangen
bezw. nach vom Reiche erlassenen Gesetzen zu handhaben ist, andererseits sich kraft reichsgesetz-
licher Bestimmungen im ganzen Reichsgebiet wirksam und rechtskräftig erweist, wird wiederum
im R. St. R. zu erörtern sein 3). "
Bei Uebung der Staatsgewalt ist der Landesfürst an die verfassungsmäßige Mit-
wirkung der Landesvertretung gebunden (s. u. §§ 8 u. 9). Ferner sind nach § 155 der
N.L.O. „die von ihm erlassenen Verfügungen in Landesangelegenheiten nur vollziehbar,
wenn sie mit der Contrasignatur eines stimmführendenden Mitgliedes des Staatsministe-
riums versehen sind.“ Unter Verfügungen sind alle vom Landesfürsten bei Uebung der
Staatsgewalt ausgehenden, Recht schaffenden oder Entscheidung treffenden (schriftlichen)
Willensäußerungen zu verstehen?).
II. Der Landesfürst als Gesetzgeber. Die § 5—8 der N.L.O. unterscheiden die
„innere Verwaltung“, hier im weiteren Sinne genommen, und die Vertretung
des Staates nach außen (s. u. § 4. III). „Jene „wird vermöge der von dem
Landesfürsten verliehenen Gewalt unmittelbar oder mittelbar in seinem Namen aus-
geübt und steht unter seiner Oberaufsicht". Die Gesetzgebung geht nur vom Landes-
fürsten selbst aus; „kein Landesgesetz und keine Verordnung tritt in Kraft,
bevor sie von der Landesregierung?) verkündigt sind“. Der Landesfürst ist
danach der alleinige Verkündiger von Gesetzen und Verordnungen. — Bedarf es einer
Unterscheidung zwischen Gesetz und Verordnung, um zu ermessen, ob und welche Mitwir-
kung der Landesvertretung für einen beabsichtigten Erlaß der Gesetzgebung erforderlich
sei, so entscheidet, abgesehen von dem Falle, daß ein formell als Gesetz bestehender
Erlaß abgeändert oder aufgehoben werden soll, der materielle JInhalt des Erlasses
(s. u. § 8 IV). Ob dagegen ein vom Landesfürsten publicirter Erlaß der Gesetz-
gebung Gesetz oder Verordnung sei, — diese. Frage ist hier zu erörtern —, ist von denen,
welchen danach sich zu achten befohlen wird, nach formellen Merkmalen zu unter-
scheiden. Es bestimmt nämlich in der N.L.O. der § 100 (unter der Ueberschrift „Form
der Gesetze"): Die Gesetze sollen im Eingange der erfolgten Zustimmung oder des
vorher angehörten Gutachtens und Rathes der Landesversammlung oder des Ausschusses
1) Siehe Handb. d. Oeff. Rechts II. I. S. 165 ff.
2) Militärgesetze des D. Reiches, mit Erläuterungen herausgegeben auf Veranlassung des
Pr. Kriegsministeriums Bd. I. Absch. 1, Seit 38, 55, 61. — Laband, im Handb. d. Oeff. Rechts III. I.
Seite 161, 162 und R. St. R. Bd. III, a §§ 77 ff., insbes. Seite 10 und 11, ferner § 81. Wegen
der Ueberleitung der Br. Militärverhältnisse in die neue Ordnung siehe W. Otto Geschichte des Br.
Inf.-Regimentes, Braunschweig 1878, Seite 3 ff.
3) Laband im Handb. d. Oeff. N. II. I. S. 174 ff. R. St. R. Bd. III. b, § 98.
4) Landesfürstl. Erlaß anderer Art, z. B. persönliche Meinungsäußerungen bedürfen der
Contrasignatur nicht. (Ein Beispiel die L.F. Antwort vom 3. April 1846 auf eine Adresse der
Stände. Anlage 1 zu Prot 38 des 5. ordentlichen Landtages.) — Contrasignatur ist schon durch
L. F. Rescript v. 29. Mai 1714 angeordnet. Ministerverantwortlichkeit als Folge der-
selben ist erst in der N.L.O. begründet (s. u. § 5, No. 1 u. § 8, III). — Im Herzogthume sind
Landesfürstl. Erlasse mit dem Eingange „Wilhelm“ 2rc. in Uebung, welche die Unterschrift des Landes-
fürsten nicht tragen und nur unter den Worten „auf höchsten Specialbefehl“ von einem oder mehreren
verantwortlichen Ministern vollzogen sind. Die Zuläßigkeit dieser Form steht gewohnheitsrechtlich
zweifellos fest, wie auch indirect durch einzelne Gesetzesbestimmungen anerkannt worden, (§ 7 des
Staatsdienstgesetzes von 1832, § 4 des G. v. 27. März 1882 No. 16).
5) Zum ersten Male kommt hier in der N.L.O. statt „Landesfürst“ der Begriff „Landes-
regierung vor, welcher öfters wiederkehrt. Unter „Landesregierung“ ist der Landesfürst in
verfassungsmäßiger Function zu verstehen. Ein Princip ist bei der Wahl zwischen beiden Aus-
drücken in der N.L.O. nicht befolgt. (Vergl. z. B. § 5 und § 100 der N.L.O.)