84. Das Staatsoberhaupt. 107
schichtlichen Ereignisse herbeigeführte Gestaltung des Norddeutschen Bundes zu beziehen sei,“ „die
Landesversammlung wolle zur Beseitigung formeller Bedenken beschließen, zu der durch Publ.=
Patent vom 25. Juni 1867 verkündeten Verfassung des Norddeutschen Bundes damit ihre Zu—
stimmung zu ertheilen"“. Der Antrag wurde, nachdem vom Ministertische aus und aus der Ver-
sammlung der im Publ.-Pat. vorausgesetzte rechtliche Zusammenhang zwischen diesem und dem
früheren Beschlusse der L.V. vertreten, eine nochmalige Zustimmung als ein bedenkliches super-
fluum bezeichnet war, von der Landesversammlung gegen drei mit allen übrigen Stimmen abge-
lehnt. (Verhandlungen des außerordentl. Landtags von 1866 und Prot. 44 des 1lten ordentl.
Landtages.)
IV. Die „Regierungserbfolge“. Unter dieser Ueberschrift bestimmt der § 14 der
N.L.O. hinsichtlich der Staatssuccession Folgendes: „Die Regierung wird vererbt
in dem Fürstlichen Gesammt-Hause Braunschweig-Lüneburg nach der Linealerbfolge und
dem Rechte der Erstgeburt, und zwar zunächst in dem Mannesstamme aus rechtmäßiger,
ebenbürtiger und hausgesetzlicher Ehe. — Erlischt der Mannesstamm des Fürstlichen Ge-
sammthauses, so geht die Regierung auf die weibliche Linie nach gleichen Grundsätzen über.“
Das Fürstliche Gesammthaus Braunschweig-Lüneburg, auch nur „Haus Braun-
schweig“ genannt (§§ 26 und 132 der N.L.O.), umfaßt, abgesehen von früheren cognati-
schen Abzweigungen, die ältere (Braunschweig'sche) und die jüngere (Hannoversche) Linie.
Das Recht der Erstgeburt hat sich in demselben, wie in den Fürstenhäusern anderer deut-
scher Territorien, seit dem Ausgange des Mittelalters aus einem durch Hausverträge und
letztwillige Verfügungen begründeten, von privatrechtlichen Anschauungen beherrschten
Rechtsinstitute zu einem, jetzt auch in die Verfassung aufgenommenen staatsrecht-
lichen Grundsatze entwickelt, dessen dauernde Herrschaft im Interesse der Untheil-
barkeit des Landes schon früh durch, den Ständen Seitens der Landesherren gegebene
Zusicherungen geschützt wurde. — Nur die in rechtmäßiger, ebenbürtiger,
hausgesetzlicher Ehe erzeugten Kinder sind successionsfähig. Was die Recht-
mäßigkeit der Ehe anlangt, so sind für die Form der Eheschließung die 88 41, 52
und 72 des Reichsgesetzes über die Beurkundung des Personenstandes und der Eheschließ-
ung vom 6. Febr. 1875 maßgebend. Ob eine Ehe eben bürtig sei, ist nach gemeinem
Rechte zu entscheiden. Durch ein Hausgesetz vom 24. bez. 19. Oktober 1831, Nr. 45
der Braunschw. G. und V.S., haben die damals regierenden Landesfürsten der beiden
Linien bestimmt, daß Prinzen und Prinzessinnen des Gesammthauses zur Schließung der
Ehe der Einwilligung des regierenden Herren ihrer Linie bedürfen,
„welche übrigens bei ebenbürtigen Ehen, ohne etwa eintretende besondere Gründe, nicht
versagt werden wird“ (Art. 1), daß ferner eine ohne diese Einwilligung ein-
gegangene Ehe auf die darin erzeugten Kinder ein Successions-
recht in den zum Deutschen Bunde gehörenden Staaten des Gesammthauses Braun-
schweig-Lüneburg nicht überträgt. Die damit vorgeschriebene Einwilligung kann für
die in der Ehe erzeugten Kinder selbstverständlich nur dann Successionsfähigkeit begründen,
wenn die Ehe auch den übrigen, in dem Landesgrundgesetze aufgestellten Erfordernissen
entspricht. — Die N.L.O trifft keine Anordnungen für den Fall, daß der nach der Src-
cessionsordnung an sich Berufene an unheilbarem geistigem oder körperlichem Gebrechen
leidet, welches ihn für immer regierungsunfähig macht. In Verhandlungen der Landes-
vertretung, welche in die Zeit nach Erlaß der N.L.O. fallen, ist man davon ausgegangen,
daß im Herzogthum dauernde Regierungsun fähigkeit von der Staatssuc-
cession ausschließe.
Das subsidiäre Surccessionsrecht der weiblichen Linie, (s. o. den Schluß des
§ 14 der N.L.O.,findet seine Begründung in dem kaiserlichen Lehubriefe von 1235, durch
welchen Herzog Otto das Kind das von ihm dem Kaiser Friedrich II zu Lehen aufgetragene
damalige welfische Besitzthum aus des Kaisers Hand als Reichslehen, (ad haeredes suos,
filios et filias hacreditarie derolvendum,) und zwar als auf die Stadt Braunschweig und