8 11. Kirchen- und Unterrichtswesen. 133
oder aufgehoben werden könnten, ist in dem citirten Staatsgesetz vom 27. März 1882
durch die Bestimmung beseitigt, daß die fraglichen „Staatsgesetze und Verordnungen“ als
„subsidiäres Recht“ gelten und nur zur Anwendung kommen, wenn und so lange
durch ein Kirchengesetz oder eine Kirchenverordnung, — die übrigens alle behuf ihrer Vollzieh—
barkeit nach wie vor des in der Contrasignatur eines verantwortlichen Ministers zur Er—
scheinung kommenden placet der Staatsgewalt bedürfen, — nicht anderweite Bestimmungen
getroffen sind. — Wegen der der ev.-luth. Kirche und ihren Organen zustehenden Mit-
wirkung in Leitung und Beaufsichtigung des Volksschulwesens ist auf § 11 zu ver-
weisen. Zu b): „Die Landesregierung wird darüber halten, daß diejenigen, welchen
in den auderen christlichen Kirchen nach deren Verfassung die Kirchengewalt zusteht, solche
weder mißbrauchen noch überschreiten. — Allgemeine Anordnungen, welche vermöge der
Kirchengewalt getroffen, und Verfügungen, welche von auswärtigen geistlichen Obern er-
lassen sind, dürfen, welcher Art sie auch sein mögen, ohne vorgängige Genehmigung der
Landesregierung weder bekannt gemacht noch vollzogen werden“ (N.L.O. § 215). Der
§ 11 des Ges. v. 27. Nov. 1872 Nr. 2 de 1873, bedroht dieser Vorschrift zuwiderhan-
delnde Diener der betr. Kirche mit Strafe.
Es bestimmt § 226 der N.L.O., daß die Kirchen= und Schuldiener aller christ-
lichen Confessionen im Lande, sofern sie nicht von der Regierung selbst bestellt werden,
vor Amtsantritt und Aneignung der Amtseinkünfte der Landesfürstlichen Bestätigung
bedürfen und auf Beobachtung der Gesetze und der Verfassung zu beeidigen sind 1). Hin-
sichtlich der Suspension und Entlassung von Kirchen= und Schuldienern, letzterer, soweit
sie nicht schon unter dem Staatsdienstgesetze stehen, bestehen im Wesentlichen dieselben Be-
stimmungen, wie für die Staatsdiener 1ster Classe. Es ist nur hervorzuheben, daß die
Suspension derselben von Amt und Einkünften nicht nur als provisorische Maßregel,
sondern auch als Disciplinarstrafe besteht, welche von der kirchlichen Behörde verhängt
werden kann und jedes Mal der Bestätigung der Landesregierung bedarf?).
Religiöse Vereine und Versammlungen, welche sich mit religiösen Ange-
legenheiten beschäftigen, unterliegen den Bestimmungen, welche für die mit öffentlichen An-
gelegenheiten sich beschäftigenden Vereine und Versammlungen maßgebend sind. — Zur
Uebung eines religiösen Cultus bedürfen Vereine oder Genossenschaften der
staatlichen Genehmigung, welche ertheilt wird, wenn (abgesehen von einer ge-
ringfügigeren, Zahl und Persönlichkeit der Theilnehmer betreffenden Bedingung) „die in
den Statuten festzustellenden Religionsgrundsätze und Normen für die Religionsübung
mit der Ehrfurcht gegen Gott, dem Gehorsam gegen die Gesetze und der allgemeinen
Sittlichkeit vereinbar sind“, und welche ihnen das Recht gewährt, „unter staatlicher Auf-
sicht gottesdienstliche Zzusammenkünfte in dazu bestimmten Räumen zu veranstalten und so-
wohl hier als in Privatwohnungen der Mitglieder die ihren Religionsgrundsätzen ent-
sprechenden Gebräuche auszuüben, auch eigene Prediger und Religionslehrer anzunehmen“.
Corporative Rechte werden nur durch besondere Verleihung der Landesregierung be-
gründet ?.
§ 11. Das Unterrichtswesen. Nach § 230 der N.L.O. ist die Sorge für den
öffentlichen Unterricht, „ein vorzüglicher, jederzeit mit allen deshalb zu Gebote stehen Mit-
teln zu befördernder Gegenstand der Fürsorge der Landesregierung“. — Der im staat-
lichen Interesse zunächst zu stellenden Forderung eines gewissen Maßes der Schulbildung
aller Unterthanen entspricht die gesetzlich geordnete, der Regel nach mit Zurücklegung des
öten Lebensjahres beginnende, des 14ten Jahres endende allgemeine Verpflichtung
# Eine Strafandrohung gegen katholische Geistliche in § 11 des citirten G. v. 27. Nov. 1872.
2) G. v. 22. Dezember 1870 Nr. 113 § 1
3) G. v. 25. März 1873 No. 62 19 *sr 20.