Full text: Handbuch des öffentlichen Rechts. Band III.2.1. Das Staatsrecht von: Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Waldeck, Schaumburg-Lippe, Lippe. (5)

142 Pietscher, Das Staatsrecht des Herzogthums Anhalt. 86. 
welche in der Gemeinde ihren Sitz haben, sowie der Personen, die sich länger als drei 
Monate im Gemeindebezirk aufhalten, endlich der in ihrem Bezirke belegenen Grundstücke, 
gewerblichen Etablissements und Niederlassungen. Befreit sind die Mitglieder des herzog— 
lichen Hauses, der Staat, die Kreise, die Kirche, die Schule, die milden Stiftungen, soweit 
nicht die Steuer von Grundstücken erhoben wird, ferner Militärpersonen und Militäran— 
stalten, soweit die Reichsgesetzgebung oder der mit Preußen abgeschlossene Vertrag es an— 
ordnet, endlich alle Personen, die nicht über 300 Mark Einkommen haben. 
Von Grundstücken sind eximirt: die herzogl. Schlösser, sowie die zum öffentlichen 
Dienst oder Gebrauch bestimmten Grundstücke des Staats, der Kirche, der Schule und der 
milden Stiftungen. — Die Erhebung der Gemeindesteuern erfolgt in der Regel nach dem 
Staatssteuerfuße. 
Verpflichtet sind die Gemeinden zu allen Leistungen, welche „das aus dem 
Gemeindezwecke abgeleitete Bedürfniß erfordert“. Sie tragen die Armenlast und 
haben zu den Schulbauten ein Sechstel beizutragen. Sie sind endlich verpflichtet, auf 
Verlangen im Gemeindebezirk durch ihre Vorstände die Geschäfte der Polizei und Polizei— 
Anwaltschaft, der Steuern- und Renten-Erhebung, der Landesbrandkasse zu besorgen 
und Aufträge der Verwaltungsbehörden überhaupt ausführen zu lassen. Zur Erfüllung 
dieser Verpflichtungen können von den Aufsichtsbehörden im Verwaltungswege angehalten 
werden. 
Welche Gemeinde eine Stadt, welche ein Dorf sei, dafür sind bestimmte gesetzliche 
Voraussetzungen nicht vorhanden; was in dieser Beziehung geschichtlich geworden ist, gilt 
rechtlich. Es giebt Städte, die weniger als 1000 Einwohner, Dörfer, die mehrere Tau— 
send Einwohner haben. Eine Aenderung des bestehenden Zustandes wird nur entweder 
durch Gesetz, oder durch einen seitens der Staatsaufsichtsbehörden genehmigten Beschluß 
der Gemeindebehörden erfolgen können. 
Die selbständigen Gutsbezirke haben im Wesentlichen dieselben Verpflichtungen wie 
die Gemeinden; ein Verband mit Gemeinden für einzelne Zwecke ist statthaft. 
II. Stadtgemeinden. In den Städten werden die Gemeindeangelegen- 
heiten von dem „Magistrat“ und beziehentlich von dem Gemeinderath besorgt. Die Ma- 
gistrate bestehen aus einem Bürgermeister und einem oder mehreren Stadträthen, von 
welchen letzteren wenigstens einer besoldet sein soll. Sie haben keine kollegialische Ver- 
fassung; der Bürgermeister ist der alleinige Träger der Autorität und Verantwortlichkeit 
des Gemeindevorstandes; er hat auch das Recht, Gemeindebeschlüsse aus gewissen Gründen 
zunächst ungausgeführt zu lassen und die Entscheidung der Aufsichtsbehörde einzuholen. 
Bürgermeister und Stadträthe sind zugleich stimmführende Mitglieder des „Gemeinde- 
raths“, der aus dem Magistrat und den Stadtverordneten besteht und zu dessen Zustän- 
digkeit alle wichtigeren Gemeindeangelegenheiten (Etat, Besoldungsfragen, Besteuerung, 
Verfügungen über das Vermögen, Errichtung von Gemeindestatuten u. s. w.) gehören. 
Die Verhandlungen des Gemeinderaths sind öffentlich. 
Die „Stadtverordneten“ bilden ein besonderes Kollegium mit einem besonderen 
Vorsteher — im Gemeinderath führt den Vorsitz der Bürgermeister — zum Zweck einer 
fortlaufenden Rechnungskontrole, der jährlichen Rechnungsabnahme, sowie der Wahl des 
Bürgermeisters (auf 12 Jahre) und der Stadträthe (auf 12 Jahre bei besoldeten, auf 
6 Jahre bei unbesoldeten). Die Wahl dieser Gemeindebeamten bedarf der landesherr- 
lichen Bestätigung. 
Die Zahl der Stadtverordneten richtet sich nach der Höhe der Einwohnerzahl. Die 
größte Stadt in Anhalt (Dessau) mit etwa 24 000 Einwohnern, hat 24 Stadtverordnete. Die 
Stadtverordneten werden in geheimer Abstimmung „aus den wählbaren Bürgern von den wahl- 
berechtigten Bürgern“ gewählt. Die Hälfte muß aus Grundbesitzern bestehen. Die Annahme 
des Amts ist Pflicht, deren Verletzung mit Ehrenstrafen geahndet wird. Das Bürgerrecht wird
	        
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