144 Pietscher, Das Staatsrecht des Herzogthums ##Anhalt. § 7.
liche Staatsstraßen giebt es in Anhalt nur noch sehr wenige, bei weitem die meisten wer-
den von deu Kreisen erhalten, denen dafür ansehnliche Dotationen aus Staatsmitteln be-
willigt worden sind.
§ 7. Der Landtag. Gesetzgebung. I. Zusammensetzung und Wahl. Der
Landtag des Herzogthums besteht aus 36 Mitgliedern. Die Landtagsperiode dauert 6 Jahre.
Der Herzog ernennt 2 Mitglieder, die übrigen werden gewählt: 8 von den meistbesteuerten
Grundbesitzern, d. h. solchen, welche mindestens 21 Mark, 2 von den meistbesteuerten
Handel= und Gewerbetreibenden, d. h. solchen, welche mindestens 15 Mark als „Einheit
zur Ergänzungssteuer"“ zahlen, 14 von den Städten, 10 von dem platten Lande.
Die verschiedenen Klassen der Wähler (Höchstbesteuerte, Städte, plattes Land) wählen
getrennt für sich, die ersteren für das ganze Land, die beiden anderen in besonderen, ges
setzlich bestimmten Wahlkreisen.
Die Wahlen für die Städte und Dörfer sind mittelbare. Sowohl die Urwahl als
die Wahl der Wahlmänner erfolgen in geheimer Stimmgebung. Zur Wahlfähig-
keit gehört Staatsangehörigkeit und ein mindestens fünfundzwanzigjähriges Lebensalter.
Frauen und juristische Personen wählen nicht mit. Der Verlust der bürgerlichen Ehren-
rechte, Almosenempfang, Konkurs, Entmündigung schließen zeitweilig aus.
„Landtagsfähig“ ist jeder Wahlberechtigte, sofern er der Wählerklasse
angehört, von welcher die Wahl erfolgt. Der Herzog ist bei seinen Er-
nennungen nur an die Voraussetzung der Wahlfähigkeit gebunden, im Uebrigen muß der
Landtag aus
8 Großgrundbesitzern, 2 höchstbesteuerten Gewerbe= und Handeltreibenden, 14 Stadt-
und 10 Landbewohnern bestehen.
Mit der Wahlfähigkeit erlischt die Landtagsfähigkeit von selbst. — Aktive Staats-
beamte bedürfen zur Annahme der Wahl der Genehmigung des Herzogs.
II. Diäten und Verhältniß zu den Wählern. Die Abgeordneten erhalten Diäten.
Sie „haben sich bei den Verhandlungen und Abstimmungen lediglich das Wohl und Beste
des ganzen Landes ohne Rücksicht auf besondere Lokal-, Standes= oder Klassen-Interessen
vor Augen zu halten und sind an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden“.
III. Geschäftsordnung und Einberufung. Die Landtagsverhand-
lungen sind öffentlich.
Der Präsident wird vom Herzog aus drei vom Landtag vorgeschlagenen Kan-
didaten für eine Landtagsperiode (6 Jahre) ernannt; zwei Vicepräsidenten werden
für dieselbe Zeit gewählt, sie bedürfen der Bestätigung des Herzogs.
Dem Landtage ist zur Wahrnehmung des Schriftführeramtes und zur Ertheilung
resp. Beirathes ein Syndikus beigegeben, der gewählt und vom Herzog bestätigt wird.
Der Landtag wird nach dem Wortlaut der Verfassung von dem Herzog „nach Er-
messen“ zusammenberufen, mindestens alle 3 Jahre. Thatsächlich ist er seit dem Bestehen
der Landschaftsordnung alljährlich zusammenberufen und sind die Etatsfeststellungen,
die nach dem Gesetze für eine Dauer von 3 Jahren gefordert werden konnten, ausnahms-
los immer nur für ein Jahr erfolgt. Und diese thatsächliche Uebung darf die Bedeutung
einer Rechtsquelle für sich in Anspruch nehmen, nachdem die Staatsregierung im Jahre
1876 mit dem Landtage ausdrücklich dahin übereingekommen ist, „das“ Etatsjahr
solle am 1. Juli beginnen, am 30. Juni des nächsten Jahres beendet werden.
IV. Rechte. Der Landtag hat das Recht der Zustimmung zum Erlaß solcher
Gesetze, welche eine Verfassungsänderung bezwecken, die Unterthanen mit neuen Abgaben
belasten oder wohlerworbene Rechte, insonderheit das Eigenthum einzelner Unterthanen
oder ganzer Klassen derselben aufheben oder beschränken; — zur Aufnahme von Landes-
schulden, zur Veräußerung von Domänen und Forsten, zur Abtretung von Landestheilen